Donnerstag, November 08, 2012

Arsenal auf Schalke

Der Arsenal FC gibt in diesen Wochen ein Bild des Jammers ab. Am Dienstag beim Auswärtsspiel bei Schalke gab es sogar eine glückliche 2:0-Führung bis kurz vor der Pause, es reichte dann aber doch nur zu einem 2:2. In der zweiten Halbzeit und in der ersten Viertelstunde war die mutmaßliche Spitzenmannschaft aus London derart eklatant unterlegen, dass man sich eigentlich wundern müsste. Wer aber den schleichenden Niedergang über die letzten paar Jahre schon länger beobachtet, muss sich im Rückblick eher über die paar starken Spielen im September wundern, die in dieser Saison kurz hoffen ließen, Arsenal hätte endlich wieder einmal Fortschritte gemacht, und zwar sowohl taktisch wie mental.

Doch der Oktober war brutal, und jetzt hat Arsène Wenger wieder einmal vor allem damit zu tun, die Situation schönzureden. Wo liegen die Probleme? Erstens hat Arsenal schon wieder ein Lazarett. Zwei Spieler, die stark in die Saison gingen, von denen man aber weiß, dass sie nie eine durchspielen werden, fehlen seit Wochen: Abou Diaby und Kieran Gibbs. Dazu kommt die Absenz von Torhüter Sczeszny, auch wenn Vito Mannone seine Sache insgesamt ganz gut macht.

Zweitens, und viel wichtiger, hat Arsenal eine anachronistische taktische Konzeption. Gegen Manchester United am vergangenen Wochenende, aber auch gegen Schalke, war deutlich zu sehen, dass das stumpfe Flügelspiel dazu führt, dass sich das kreative Mittelfeld aufreibt. Der zuletzt auffällig unauffällige Arteta und der aus Platzmangel weit zurückfallende Cazorla finden kaum einmal dynamische Ansätze, und Wilshere fehlt nach der langen Pause noch der Rhythmus (was zu der gelb-roten Karte in Gelsenkirchen führte). Podolski hat in London gut begonnen, am Dienstag hatte er eine gute Szene, die zum 2:0 durch Giroud führte. Doch insgesamt ist der neue Publikumsliebling schwach.

(Kai Dittmann von Sky, ein Kommentator, dessen Emphase ich meistens gut aushalte, gab übrigens einen schönen Beleg für die patriotische Blindheit beim deutschen Bezahl- und Ex-Premium-Sender: er sah in Podolski "einen der besten bei Arsenal", dabei ging das Spiel völlig an diesem vorbei, maßgeblich beim 2:2 durch Farfan, als Podolski neugierig mit nach hinten lief, um einen Schalke-Spielzug zu beobachten, gegen den zu intervenieren nicht zuletzt seine Aufgabe gewesen wäre - hätte er mitgedacht, hätte er begreifen können, dass er allein eine Chance hatte, Farfan zu decken.) Podolski läuft häufig planlos, verteidigt energisch, aber ohne Intelligenz, und wirkt momentan desintegriert.

Bei der derzeitigen Planlosigkeit von Arsenal bekommen sogar die Abräumerqualitäten von Mertesacker etwas Positives. Er bringt wenigstens Grundtugenden, auch wenn sein Aufbauspiel geradezu schmerzhaft ideenlos ist, was nur zum Teil daran liegt, dass bei Arsenal sich zu wenige Spieler kreativ freilaufen. Bei Schalke fiel eigentlich am meisten auf, wie intelligent das Team von Stevens den Begriff Raumdeckung interpretiert - das war ein Spiel gegen Ball, Gegner und Raum gleichzeitig, ein gewissermaßen planquadratisches und flächendeckendes Anlaufen von potentiellen Spielräumen, mit dem zugleich der ballführende Gegenspieler unter Druck gesetzt wurde.

Holtby und Neustädter können dann bei Balleroberung schöne Pässe spielen, weil Huntelaar, Farfan und Afellay (und sogar Jones) unentwegt in Lücken laufen. Durch diese Bewegung wird es für Viererketten, zumal uneingespielte wie die mit Sagna, Mertesacker, Koscielny und dem Aushilfsaußendecker Vermaelen, enorm schwierig. Der erste Gegentreffer wurde möglich, weil Mertesacker auf Abseits spielte (statt lieber die konservativere Variante zu wählen, Huntelaar zu "decken"), Vermaelen aber nicht mitmachte. Soviel zum neuen "Bollwerk" unter Co-Trainer Steve Bould.

Arsenal wird schlecht gecoacht, schlecht aufgestellt (Ramsey schon mehrfach auf "Rechtsaußen", im Grunde der Kroos-Fehler von Löw revisited), schlecht eingestellt. Da sich aber im Fußball alles schnell ändern kann, das Personal prinzipiell begabt ist, und selbst Arsène Wenger (in den Grenzen seines zunehmend verbissenen Weltbilds) lernfähig ist, kann sich das alles bald wieder ändern.

Heute Abend spielt der SK Rapid gegen Leverkusen, das ist willkommene Ablenkung.

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