Samstag, April 28, 2012

Turnhalle

Wenn der Spieltag schlecht verläuft, könnte heute schon der zweite Abstieg von Hertha innerhalb zweier Jahre feststehen. Das Auswärtsspiel bei Schalke 04 in der "Turnhalle", wie die lokale Arena von Berliner Fans verächtlich genannt wird, findet unter in jeder Hinsicht schwierigen Voraussetzungen statt. Durch die Sperren von Kobiashvili und Niemeyer fehlen wichtige Defensivkräfte (vor allem solche, die auch offensiv nicht ganz taub sind), wie es mit der Fitness von Hubnik, Janker oder Morales (den ich für einen Kandidaten für die Innenverteidigung halte) steht, war bis Freitag unklar. Nun sieht es allerdings so aus, dass wir mit einer relativ orthodoxen Viererkette rechnen können: Lell, Hubnik, Janker, Bastians.

Davor wohl Ottl und Perdedaj, weiter vorne Raffael und Lasogga, außen vermutlich weiterhin Rukavytsya und Ebert (wer auch immer auf den Flügeln spielt, er wird sich strecken müssen, nach hinten, nach vorne, nach innen und nach außen). Aus den letzten drei Auswärtsspielen hat Hertha fünf Punkte geholt, das macht den Fans Hoffnung. So richtig überzeugend war dabei allerdings nur das Spiel in Mainz, in Gladbach ging offensiv wenig bis gar nichts, und das Spiel in Leverkusen war "hors categorie" (soll heißen: von beiden Seiten unzurechnungsfähig). Doch warum nicht auf einem trügerischen Sachverhalt aufbauen? Die Statistik weist die Richtung: Ein Punkt sollte möglich sein, drei müssen das Ziel sein.

Dabei kommt ins Spiel, was die Morgenpost in einem Interview mit dem Sportpyschologen Thomas Ritthaler herausgearbeitet hat. Wie steht es eigentlich mit der Motivation? Der Experte differenziert die Gründe dafür, sich anzustrengen und die Furcht und die Drögheit zu überwinden, in drei Begriffe: Motiv, Anreiz, Erwartung. Das Problem bei Hertha ist, dass die Mannschaft in dieser Hinsicht deutlich auseinanderfällt. Dass nach den beiden verlorenen "Entscheidungsschlachten" die Erwartungen stark gesunken ist, dürfte wohl für den Großteil der Spieler gelten. Der Anreiz, auch im kommenden Jahr für einen Chaosclub in der ersten Liga zu spielen, ist hingegen nur für einige der mittleren und jüngeren Spieler gegeben. Die besseren wissen, dass sie Perspektiven haben.

Namentlich mit Raffaels Berater hätte man diese Woche noch einmal sprechen müssen. Der Abschied des Brasilianers ist wohl in beiden Szenarien einzuplanen, wenn er sich heute aber noch einmal richtig anstrengt und vielleicht einen spielprägenden Auftritt liefert, wenn er also eventuell zum Verbleib von Hertha in Liga eins beiträgt, dann wäre mit einer höheren Ablöse zu rechnen - und auch Herr Lamberti hätte etwas davon. Bei einem niedrigfrequenten Metronomiker wie Ottl empfiehlt sich sowieso eher ein Wechsel in ein Büro, bei Lasogga oder Kraft kann man auf Integrität bauen, bei Lell kennt sich kein Mensch mehr aus, und Ramos wirkt insgesamt nicht wie jemand, dem es richtig gut geht. Es müssen also viele individuell angesprochen werden, und das muss dann taktisch zusammengefügt werden. Davon ist seit Wochen nicht viel zu sehen.

Es gibt also wenig Grund zum Optimismus, eher schon müsste man auf fremde Hilfe hoffen. Wenn Freiburg sich gegen Köln noch einmal anstrengt (oder einfach mit Euphorie siegt), dann hätten wir kommenden Samstag das hochnotpeinliche Entscheidungsspiel gegen den Trainer mit den "privaten Gründen". Darauf zu hoffen, ist eigentlich ein wenig absurd angesichts der Heimneurose von Hertha, aber was bleibt uns übrig.

Ich bin übrigens zur Zeit beruflich in Oberhausen und werde selbstverständlich heute die kurze Zugfahrt nach Gelsenkirchen machen, um vor der Turnhalle die Lage zu sondieren. Irgendeine Karte werde ich wohl noch organisieren können, denke ich. Und dann hoffe ich das Beste.

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