Donnerstag, Dezember 15, 2011

Übungsleiter

Als Lucien Favre zum Trainer bei Hertha bestellt wurde, da war ich so neugierig auf seine Arbeit, dass ich sogar gelegentlich zum Training gefahren bin. Dabei wurde mir eine Sache besonders deutlich: Die paar Stunden pro Woche, die eine Mannschaft übt, sind eigentlich verdammt wenig, um auf all das einzugehen, was so ansteht.

Denn es ist ja eine ganze Menge zu tun, und der Kader ist groß, und ich kann mich noch gut genug an den eigenen Turnunterricht erinnern, um nicht auf dem Schenckendorffplatz auch sofort die Unterschiede im Engagement der einzelnen Spieler zu sehen. Und wenn dann mit ein paar Offensivleuten ein Abschluss trainiert wurde, dann standen auch bei Favre gleich einmal zehn Profis herum und spielten sich eine halbe Stunde lang Bälle zu.

Heute hingegen zeichnet er, wie in einem aktuellen Porträt im Spiegel zu lesen, detaillierte Übungen auf, die er dann im selben Atemzug zum Berufsgeheimnis erklärt - der Reporter durfte darüber nichts Genaues schreiben.

Warum ich darauf zurückkomme? Weil ich in einem aktuellen Bericht der "Morgenpost" einen Hinweis darauf gefunden habe, dass bei Coach Babbel die Trainingszeiten manchmal suboptimal genützt werden, ein Umstand, auf den aus dem aktuellen Zustand der Mannschaft leicht zu schließen ist.

Wieviel das mit der inzwischen ja deutlich eskalierten Trainerfrage zu tun hat, ist schwer zu sagen, aber es sieht doch deutlich danach aus, dass Babbel mehr tun könnte - mehr an der Taktik arbeiten, mehr an den sogenannten Automatismen. Doch inzwischen ist die Sache mit seiner Unterschrift zur "causa prima" geworden.

Ich will also noch einmal versuchen, mir das zu erklären. Szenario 1) In demselben Bericht der "Morgenpost" findet sich der Hinweis, er hätte schon direkt nach dem Aufstieg seinen Abgang mit dem Ende seiner zweiten Hertha-Saison angedeutet - er wollte also gar nie verlängern, und glaubte, er könnte damit bis Mai 2012 durchkommen. Szenario 2) Für ihn ist die Sache nach wie vor offen, und er hat sich jetzt eben darauf versteift, dass er das zu seinen Bedingungen auch in Hinsicht auf den Zeitplan macht.

In beiden Fällen wäre er naiv, und würde nicht nur der Hertha, sondern inzwischen auch sich selbst schaden. Denn es ist ja überdeutlich geworden, dass er die guten sportlichen Ansätze der Hinrunde verschleudert hat - und wem wäre das zuzuschreiben, wenn nicht ihm?

Das führt zur eigentlich interessanten Frage: Ist Babbel ein guter Trainer, der zu Recht für so viele Teams in Frage kommen soll? Ich finde, dass es da in Berlin doch eine Menge Beobachtungen zu machen gab, die in die andere Richtung weisen. Er mag etwas von der Unerschütterlichkeit ausstrahlen, die sicher auch wichtig ist - aber individuelle Personalführung, flexible Taktik, Verstehen des Kaders etc halte ich für Schwachpunkte. Aber schon mit Lucien Favre haben wir die Erfahrung gemacht, dass er viele blinde Flecken hat - eine Erfahrung, die man in Gladbach vielleicht auch noch machen wird, wenngleich Favre viel lernfähiger wirkt als Babbel.

Der neueste Stand ist nun, dass es am Dienstag ein Gespräch mit Manager Preetz geben soll - das leuchtet mir ein, denn der kommende Mittwoch ist nun zum einzigen noch plausiblen, denkbaren Datum der Bekanntgabe einer Vertragsverlängerung geworden. Sollte Babbel sich wider Erwarten doch noch für Hertha entscheiden, dann erwarte ich, dass er die entstandenen Probleme durch instruktive Übungen auf dem Trainingsplatz gutmacht. Lasche Dienstage kann Hertha sich nicht leisten.

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