Sonntag, November 06, 2011

Unachtsamkeiten

Pünktlich bin ich gestern in den schönen Berliner Herbst zurückgekommen, um am Nachmittag in aller Ruhe ins Stadion zu fahren, wo Borussia Mönchengladbach zu Gast war. Das ist eine Begegnung, bei der eine klassische Bundesligamannschaft gegen einen Berliner Verein antritt, der an diesem Tag dann immer wieder daran erinnert wird, dass es hier unrühmlichere Traditionsbrüche gab als nur die schweren Zeiten, die Gladbach seit den siebziger Jahren mehrfach durchzumachen hatte.

Aber Hertha vermittelt ja auch sehr gut das Gefühl eines neuen Neubeginns nach dem Jahr in Liga zwee und dem Wiederaufstieg, und die Borussia hat im Vorjahr gerade noch eine ganze Spielzeit im Sauerstoffzelt zugebracht, aus dem sie in diesem Jahr dann allerdings mehr als gestärkt entlassen wurde.

Zudem hat sie nun den Trainer, auf den Hertha einst große Stücke setzte, die er hier dann doch nicht erfüllen konnte. Lucien Favre hat die Pause sichtlich gut getan, er schickt sich gerade an, den Coup mit Hertha aus dem Jahr 2008/9 zu wiederholen - die Parallelen zu der Gladbach-Geschichte in diesem Herbst sind unübersehbar.

Im Olympiastadion bei idealen Bedingungen war es dann aber Hertha, die das Spiel bestimmte. Eine halbe Stunde lang hatte Gladbach kaum etwas zu vermelden, ein Ball, den Dante in der 26. Minute ins Toraus vergeudete, war symptomatisch für die Ratlosigkeit der Borussia, die da schon durch einen Treffer von Ramos (Ottl gewinnt ein Kopfballduell, der Ball kommt zur Raffael, der schiebt perfekt auf den clever laufenden Kolumbianer, der Ter Stegen diagonal tunnelt) in Führung lag.

In Minute 32 muss Hertha sich schon ein wenig zu sehr in Sicherheit gewiegt haben, denn da gab es eine Situation, in der mehrfach die Antizipation fehlte: der Ball kam zu Hermann, und während eine ganze Reihe von Spielern sich noch zu orientieren versuchen, läuft Reus schon los, gibt Hermann so die Möglichkeit, Lauf und Pass genau zu justieren, während Maik Franz sich immer noch auf den Ball orientiert, und Reus nicht ernst genug nimmt.

So entsteht fast eine Kopie des Ramos-Treffers, mit dem Unterschied, dass dieser viel schwerer zu verteidigen war, weil er auf einer Balleroberung beruhte, während Gladbach beim Ausgleich eine klassische Spieleröffnung genügte, um die Hertha-Defensive zu überwinden. Es war die Szene, die das ganze Spiel kippen ließ, denn danach fand das Team von Coach Babbel nie mehr jene Initiative, die es die erste halbe Stunde gezeigt hatte.

Franz rächte sich an Reus mit einem üblen Foul, sah dafür nicht einmal gelb, in der zweiten Halbzeit legte der blonde Borussen-Genius noch den Siegestreffer nach, nachdem Mijatovic einen Kopfball vermasselte, der die ganze Defensive ins Chaos stürzte - das war dann "ein Fehler zu viel", wie Niemeyer das später in einem Interview formulierte.

Hertha spielte die letzte halbe Stunde gegen einen Rückstand an, den Borussia dann mit einer souverän hohen Linie und beständigem Pressing gegen die zunehmend verlegener werdenden Mijatovic und Franz verwaltete. Coach Babbel tat der Sache auch keinen Dienst, indem er Lasogga aus dem Spiel nahm und den wirkungslosen Torun brachte. In der 83. Minute opferte er sogar Ottl, der wie immer gar nicht schlecht gespielt hatte, aber nichts zusetzen konnte oder wollte, als es darauf ankam.

Für meine Begriffe war das eines dieser typischen Fußballergebnisse, die keineswegs zwingend zustandekommen, aber doch etwas Bedeutsames zeigen. Die Borussia war nicht eigentlich besser, aber auf längere Sicht des Spiels das integriertere Team, während Hertha zunehmend Schwierigkeiten hatte, den Ball nach vorne zu bringen.

Ich hätte so gewechselt: Ebert für Rukavytsya (wie Babbel auch) um die volle Stunde, um die 70. entweder Ben-Hatira oder aber Lustenberger für Ottl. Lasogga hätte ich weiterspielen lassen, solange er irgendwie Luft hatte, denn er ist derjenige, der manchmal aus Situationen etwas herausholt, in denen gar nichts drinnen zu sein scheint. Wie auch Marco Reus, der gestern eine Gelegenheit sah, die noch gar nicht bestand - und sie so hervorzauberte. Hertha unterlag also einem Magier, und das ist vielleicht gar nicht so schlecht, denn mit 19 Punkten wären wohl die Illusionen zurückgekehrt. Dass es aber nicht einmal zu einem Remis reichte, tat dann doch ein bisschen weh.

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