Sonntag, Oktober 16, 2011

Blumenkinder

Sieben Minuten haben gereicht, um den einzigen denkbaren Matchplan von Hertha beim FCB locker durchzustreichen. Es ist eine faszinierende Übung, sich diese sieben Minuten noch einmal in allen Details anzusehen, wie das heute ja möglich ist auf Hertha TV, wo man das Bild anhalten kann, wo man an den Ursprung von Szenen zurückgehen kann, und wo man schon für diese sieben Minuten so viele Kleinigkeiten entdeckt, die in ihrer Summe dann eben eine eindeutige Niederlage ergeben.

Ich musste die sieben Minuten auch deswegen nachholen, weil ich ganz zu Beginn noch in England war, bei Liverpool gegen Manchester United (1:1) - als ich dann umschaltete, stand es schon 1:0 für Bayern, und ich kam gerade zurecht, um Ribéry das 2:0 schießen zu sehen.

Eine Szene, die ich auch erst später sah, und die ich für wichtig halte, gab es allerdings schon vor dem Spiel: Blumen für Kraft, Lell und Ottl. Die waren sicher gut und nett gemeint, aber sie stehen nun einmal dafür, dass jemand nicht gut genug war, und deswegen beim finanzschwachen Hauptstadtclub anheuern musste. Abgesehen von einigen guten Szenen von Kraft konnte dann auch keiner der drei nachweisen, dass es mit dem Bajuwaren-Gen etwas auf sich hat - ich für meinen Teil werde diesen Begriff nun auch endgültig aus dem Verkehr ziehen.

Nun zu den Feinheiten. Bevor es mit der Bayern-Dominanz losging, hatte Hertha sogar noch den Ansatz einer jener Konterchancen, auf die Coach Babbel wohl den Matchplan gebaut hatte. Raffael war unterwegs, Ben-Hatira lief sich dann aber fest.

Kurz darauf gab Jerome Boateng eine Generalprobe für das, was später zum 2:0 führte: Er versetzte ÄBH und Kobiashvili, und war auf der Position, auf der Falko Götz ihn in den Erstligafußball einführte, tatsächlich Topklasse.

Der Führungstreffer für Bayern hatte auf Berliner Seite fünfeinhalb Protagonisten: Kobiashvili unterbricht durch einen technischen Fehler eine offensive Hertha-Situation, Bayern schaltet sofort nach links um, wo Ribéry mit dem Ball nach vorne läuft. Ottl (aus den Statistiken wissen wir um seine Sprintaversion) läuft mit, eher nach Schema als nach Situation (der halbe Herthaner wäre hier Lell, auf den Ottl wohl gehofft hatte, der sich aber auf Ottl verlässt), wodurch Ribéry einen angesichts der absoluten Berliner Überzahl prinzipiell nicht gefährlichen Pass auf dem zentralen Gomez spielt.

Mijatovic geht aus der Kette heraus und in den Zweikampf mit Gomez, den er verliert, wodurch Hubnik als Absicherer gefordert wird, der sich aber von der in diesem Moment ja immer noch nicht eindeutig gefährlichen Situation überrumpeln lässt. Gomez schießt gegen die Laufrichtung des Spielzugs, und Kraft stolpert und streckt sich dem Ball hinterher. Mit zwei Mann hat der FCB das gegen die außer Kobiashvili vollzählige Berliner Defensive erledigt.

Dem 0:2 ging eine interessante Geste von ÄBH voraus. Er wollte Niemeyer ein Stück intensiver in die Balleroberung einbeziehen, der blieb aber hinten am Sechzehner. In die Entstehungsgeschichte mischt sich denn auch ein wenig Pech, denn tatsächlich fängt Ben-Hatira einen Querpass ab, kann den Ball aber nicht so kontrollieren, dass er ihn behält. Er fehlt nun hinten links, wo Niemeyer und Kobiashvili sich von Boateng vorführen lassen, und der zu diesem Zeitpunkt schon deutlich dekomponierte Lell geht nicht mit der gebotenen Aggression auf den Querpass, in den hinein ihn Ribéry von hinten überläuft.

Damit war die Sache im Grunde gelaufen, auch beim 0:3 fiel das Tor aus einer bei mehr individueller Qualität beherrschbaren Situation. Es fehlte insgesamt an Aggression, Antizipation und Agilität. Hertha bekam das vor Augen geführt, was Coach Babbel und Manager Preetz ohnehin wissen (müssen): Für die Mission dieser Saison dürfte die Qualität des Defensivblocks wohl reichen, insgesamt aber sind hier Verbesserungen personeller Art dringlich angeraten.

Für Mijatovic und Kobiashvili (ich wiederhole mich) müssen spätestens im kommenden Sommer neue Spieler verpflichtet werden, und auch die rechte Außenposition und das zentrale Mittelfeld müssen keine Tabuzonen bei Transfers sein. Ich fürchte nur, dass Babbel doch einen blinden Fleck hat, was "die Münchner" anlangt. Sie bekamen übrigens Extra-Heimaturlaub (ob das Kraft auch betrifft, der ja keiner ist, blieb unklar) - ich bin ja nun wirklich kein Disziplinfanatiker, aber das halte ich für das falsche Zeichen nach dieser Niederlage.

Wenn der FCB zum Rückspiel nach Berlin kommt, hoffe ich auf eine andere Einstellung - und vielleicht auch schon auf den einen oder anderen Spieler. Detail am Rande: Alfredo Morales gefiel mir in seiner, insgesamt natürlich belanglosen halben Stunde gut, Lustenberger hingegen fiel durch einen schlimmen Pass auf - daraus muss man keine großen Schlüsse ziehen, aber so ist nun einmal die Lage: Konkurrenz für Lell, Ottl, Niemeyer ist wünschenswert, solange Kobiashvili und Mijatovic gewissermaßen sakrosankt sind.

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