Freitag, August 26, 2011

Blößenwahn

Coach Babbel hat den Stuttgarter Nachrichten ein Interview gegeben, in dem er recht pauschal über "den Berliner an sich gesprochen" hat. Der Berliner an sich neige zum Größenwahn, während der Schwabe an sich zuerst einmal schaffe, bevor er groß tue.

Nun erwarten wir von einem Fußballtrainer nicht, dass er Mikrosoziologe ist, und über die Stimmungslage in jedem dritten Kiez von links im Wedding Bescheid weiß. Aber es ist eben ein untrügliches Zeichen für Neo- und Werktags-Berliner (wie Babbel einer ist), dass sie glauben, es gebe einen Berliner an sich. Das ist es ja gerade, was eine richtige Stadt wie Berlin von einer Provinzstadt wie Stuttgart oder einer Wohlfühlmetropole wie München unterscheidet - dass sie den Berliner an sich in ihrer Vielfalt zum Verschwinden bringt.

Das war ja auch lange das Schicksal von Hertha, der ein marginaler Club mit ausgegrenzter Fanbase war, der halt zufällig in der Bundesliga spielte. Was habe ich von Freunden hier nicht schon an Argumenten gehört, warum man eigentlich für TeBe oder Union sein müsste, wenn schon nicht für den westdeutschen Club aus den besseren Tagen!

Und wenn Babbel dann noch auf die Berliner Tabloiden zu sprechen kommt, dann übersieht er das nicht unwesentliche Faktum, dass ja gerade auch die Zeitung, mit der sich Philipp Lahm gerade ein wenig in die Bredouille gebracht hat, zugezogen ist. Wie so viele von uns, wobei ich Wert darauf lege, noch nie etwas für die Springer-Presse geschrieben zu haben.

Im Vergleich mit dem englischen Medienmarkt, den Babbel ja auch kennt, ist der Berliner ja geradezu geruhsam und hochseriös - wie sich Berlin ja auch mit London oder New York dann doch nicht vergleichen kann. Mit einem Wort: Der Coach von Hertha BSC hat ein wenig zur allgemeinen Heiterkeit beigetragen, weniger zur allgemeinen Weisheit. Er spielt ja auch in der Spielermotivation gern über die Bande der Zeitungen, jetzt hat er in der Provinz halt ein wenig philosophiert. Oder doch eher dramatisiert: "Nach meiner Zeit in Berlin kann mich wahrscheinlich nichts mehr schocken." Höchstens seine eigenen Tätowierungen, die ihn an diese Zeit für immer erinnern werden.

1 Kommentar:

konmob hat gesagt…

Well said!