Samstag, November 20, 2010

Platzbelegung

Zu Osnabrück habe ich aus der Kindheit eine besondere Beziehung. Unsere Eltern vermieteten damals im Sommer immer ein sogenanntes Fremdenzimmer, in das dann Familie Tomcik aus Osnabrück einzog. Sie kamen mit dem Auto, brachten eine Menge Geschenke, und erschienen uns in jeder Hinsicht als Vertreter des Wirtschaftswunders, auch wenn ich diesen Begriff damals natürlich noch nicht kannte.

Tomciks hatten einen Hund (Asta), der Vater war Jäger, und in unserer Familie ist die Anekdote berühmt, dass er eines Tages vom Balkon unseres Hauses aus einen Rehbock schoss, der gar nicht zum Abschuss freigegeben war. Unser Vater musste danach seinen ganzen, durch das von ihm betriebene Versicherungsgeschäft im Tal nicht geringen Einfluss aufbieten, um die Sache beizulegen.

Es hat sich nie ergeben, dass ich meinerseits nach Osnabrück gekommen wäre, mit den Tomciks gibt es keinen Kontakt mehr. Das Auswärtspiel von Hertha habe ich gestern nur im Fernsehen gesehen. Es ging 0:2 verloren, insgesamt war es ein verdienter Sieg für Osnabrück, wenngleich der zweite Treffer aus einer Abseitsposition heraus vorbereitet wurde.

Ramos kam nach seiner Sperre in die Mannschaft zurück, "Prinz Lasagne" Lasogga war neuerlich zentraler Stürmer (und machte seine Sache nicht schlecht), Perdedaj erhielt den Vorzug gegenüber Domovchyiski, der seinen Verzicht auf ein Länderspiel mit Bulgarien nicht belohnt bekommen hat: er hat wenig gespielt diese Woche, und Loddar Matthäus hat ihm nun auch noch bedeutet, dass er unter seine Ägide nicht mehr zum Zug kommen soll (ich gehe einmal davon aus, dass Domo das überstehen wird, die paar Monate).

Nach einigen fruchtlosen Versuchen von Hertha, mit Kombinationsspiel zum Torerfolg zu kommen, verfiel der Kommentator des Bezahlsenders auf einen Begriff, den er Ralf Rangnick zuschrieb: Die "Platzbelegung" stimmte nicht bei der Mannschaft von Coach Babbel. Symptom dafür ist Rukavytsya, der bevorzugt nach innen zieht, und selten eine Flanke zusammenbringt. Dem Spiel von Hertha fehlt "width", wie die Engländer mit einem anspruchsvoll auszusprechenden Begriff sagen: Breite.

Ramos flankt auch ungern, gerät aber immerhin manchmal an das Empfängerende der einen Flanke, die Lell im Durchschnitt pro Spiel gelingt. Herthas Kombinationen sind mit ein wenig Einsatz durchaus zu unterbinden, weil sie oft ein wenig überhastet gespielt werden, man sieht der Mannschaft an, dass sie nicht regelmäßig genug gefordert wird.

Nun hat sie das zweite Auswärtsspiel en suite verloren, und macht allmählich Erfahrungen mit den Mühen der Ebene in Liga zwee. Noch gibt es keinen wirklichen Grund zur Beunruhigung, aber von einer Handschrift, von einem System Babbel/Widmayer kann man auch nicht so richtig sprechen - das ist im Grunde noch immer ein Restfavrismus, auf dem das Spiel von Hertha beruht, schon damals gab es dieselben Einseitigkeiten (zu wenig Flanken, zu wenig Einbindung der Außenverteidiger, zu wenig Willensleistung).

Osnabrück hat das erste Tor ganz klassisch nach einer Flanke erzielt, die Lell nicht verhinderte, und die Diabang unbehindert verwerten konnte. So macht man sich das Leben in der Provinz schwer. Ob wohl jemand von den Tomciks in der Osnatel-Arena war?

Keine Kommentare: