Sonntag, Oktober 03, 2010

Zeit und Geld

Das große Geheimnis im Fußball ist die Verstetigung von Erfolg. Das hat damit zu tun, dass ständig etwas passiert, und nicht auf alle Herausforderungen gibt es eine Patentlösung als Reaktion.

Mainz hat gestern zum siebenten Mal in Serie in dieser Bundesligasaison gewonnen, Coach Tuchel hat hinterher in Interviews in einer Weise gesprochen, die sich nur als grundlegend vernünftig (rational) beschreiben lässt - nämlich auch in Hinsicht auf das, worauf er Einfluss hat. Mainz ist eine mittelkleinere deutsche Stadt, das Stadion ist auf Mittelgröße gebracht worden, die finanziellen Verhältnisse sind mittelmäßig gut.

Wolfsburg und Leverkusen (zehn Millionen für Schürrle, nachdem sie auch schon Helmes und Kießling aus dem jüngeren Offensivpool der Liga abgeschöpft hatten) spielen unter anderen Bedingungen, aber deswegen nicht notwendig stetig besser.

Hertha hat - heute ist der Tag der deutschen Einheit - spezifische Bedingungen, die eine ähnlich allmähliche Bewegung auf das Niveau ihrer Standortvorteile (Hauptstadt, Olympiastadion, Trainingsgelände, Osterweiterung der Fanbasis) nahelegt, wie sie die Stadt Berlin insgesamt gerade durchläuft. Vorausgesetzt, sie stürzt nicht doch noch ganz ab, weil der Rucksack aus den zu wenig allmählichen Hoeneß-Jahren einfach zu schwer ist.

Ich schreibe das alles vor dem Hintergrund dessen, dass diese Woche einige massive Ziffern bekannt geworden sind, vor allem in England. Manchester City (von der Daily Mail bereits in "Moneybags City" umbenannt) hat in der vergangenen Saison einen Verlust von 121 Millionen Pfund gemacht (der von den Investoren aus Abu Dhabi übernommen wird) - mit dem Geld soll Entwicklung beschleunigt und sofort verstetigt werden.

Der FC Arsenal wiederum meldet einen Jahresgewinn von 56 Millionen Pfund vor Steuern (in die Differenz zu MCity passen wahrscheinlich die Etats der halben Bundesliga), und nicht nur vor diesem Hintergrund fragt sich mehr oder weniger alle Welt, warum Arsène Wenger im Sommer kein Geld in die Hand genommen hat, um einen Tormann zu kaufen, der unbelastet an seine Aufgabe herangehen kann. Bei Manuel Almunia und vor allem Lukasz Fabianski (Flappy Handski), der heute gegen Chelsea im Tor erwartet wird, ist das nämlich nicht der Fall. Beide haben eine Geschichte der Nervosität, gegen die sie nun in extremis die Ruhe bewahren sollten, dies hinter einer Mannschaft, die auch gelegentlich im Verbund die Nerven wegschmeißt - man kann eine Gruppe auch überfordern, oder aber man kann sie von hinten her konsolidieren.

Wenger weist zu Recht darauf hin, dass Transfersummen gar nicht so sehr das Problem sind, es sind die ständig steigenden Gehaltskosten, die mit dem Signing von großen Namen einher gehen. Man könnte sehr zugespitzt sagen, dass Hertha auch deswegen in Liga zwee musste, weil man die beiden noch von Dieter Hoeneß verbliebenen Großverdiener Simunic und Friedrich loswerden musste, die allein im Jahr fast schon den Betrag gekostet haben, den Hertha demnächst aus einer Anleihe zurückzahlen muss. Als diese Verträge unterschrieben wurden, hatte der Manager anscheinend ein Projekt à la Schalke im Kopf, dort pumpen sie aber noch ganz andere Summen in den Betrieb und haben trotzdem eine unstete sportliche Bilanz.

Wenn man es genau nimmt, ist das alles ein großes Durcheinander, aus dem gelegentlich ein Phänomen in den Vordergrund rückt, so wie Mainz 05 in diesem Herbst. Thomas Tuchel spricht über seine Arbeit mit einer Umsicht und Klugheit, an der mich wirklich jeder Nebensatz beeindruckt; genau genommen vor allem diese Nebensätze, denn sie verraten, was er in jeder Sekunde alles mitbedenkt, er lässt sich gar nicht auf die Komplexitätsreduktion der Reporter ein. Damit ist er bisher aufregend weit gekommen - vielleicht trifft Arsène Wenger ja irgendwann eine visionäre Entscheidung und baut ihn zu seinem Nachfolger auf. Das Zeug dazu scheint er ja zu haben, dieser Thomas Tuchel, oder, wie sie ihn in der PL wohl nennen würden, Thomas Tukkel.

2 Kommentare:

Oliver hat gesagt…

Maitre Arsene würde sich nur nicht mit dem Megaphon als Vorsänger auf dem Zaun betätigen, ich glaube, das war nicht so klug von Tuchel, wie sonst alles andere.Ich warte daher auf den ersten Rückschlag, auch wenn ich es Mainz nicht wünsche.
Man muß sich auch sehr freuen, daß Holtby sich für die deutsche Nationalmannschaft entschieden hat, ihn zusammen mit Özil, hört sich gut an. Aber das ist dir vielleicht nicht so wichtig.

marxelinho hat gesagt…

bei der deutschen nationalmannschaft kämpfe ich mit uralten und entsprechend unverwüstlichen affekten meiner austrosozialisation, über die sich begeisterung für spieler wie khedira, özil, ... und eine tatsächlich sehr beeindruckenden spielanlage drüberlegen, aber eben nur als dünner firnis