Freitag, Juni 25, 2010

Auslese (ich bin schon lull und lall)

Das direkte Duell der Brüder Boateng hat es am Mittwochabend überraschend doch gegeben, es blieb aber weitgehend gesittet, es gab keine Toten, keine Verwundeten, weder musste der brave Jerome seinen in Gummistiefeln auflaufenden und mit drei an einem Tag gekauften (!) Autos vorgefahren gekommenen Bruder "umsäbeln", noch grätschte der Wedding Prince seinen Bruder oder einen anderen deutschen Spitzenspieler aus dem Turnier.

KPB war sogar richtig gut, am Ende waren alle glücklich, denn sowohl Deutschland als auch Ghana sind im Achtelfinale. Arne Friedrich wird allgemein als einer der besten Deutschen gehandelt, er strahlte tatsächlich eine gute Autorität aus auf dem Platz, und die Berliner Buntzeitungen rechnen täglich seinen Transferwert in die Höhe (Michael Preetz wird die Option ziehen, die es erlaubt, den Ex-Kapitän über Ende Juni hinaus zu binden und dann Ablöse für ihn zu bekommen).

Die Hertha gab indes genau zum richtigen Zeitpunkt, als nämlich alle vom Nationalteam sprachen, die nächste Verpflichtung für die neue Saison bekannt: Christian Lell wechselt ablösefrei vom FCB nach Berlin, für ein Jahr plus zwei weitere bei Wiederaufstieg. Diese besondere Option dürfte der Spieler verlangt haben, der sich nicht auf längere Sicht binden wollte, wenn das für ihn die zweite Liga über 2011 hinaus bedeutet hätte - immerhin haben wir es hier mit einem Mann zu tun, der noch im April 2008 mit dem AC Milan in Verbindung gebracht wurde, wenngleich nur von einem deutschen Onlineportal, das ich aus Prinzip noch nie angeklickt habe.

Die Personalie Lell ist so vertrackt wie die Situation der Hertha. Er hat bei Bayern eindeutig seine Grenzen aufgezeigt bekommen (und damit meine ich nicht das Auswärtsspiel in Barcelona), für die zweite Liga ist er aber wohl wirklich ein akzeptabler Mann. Der FC Nürnberg hat gezeigt, dass man mit ausgemusterten FCB-Profis was hermachen kann, warum sollte das also Markus Babbel nicht gelingen?

Allerdings erinnert Lell uns noch einmal deutlich daran, dass mit der letzten Saison die Modernisierung der Hertha abrupt gestoppt wurde - das große, endlose Projekt, zumindest ein bisschen zum internationalen Knowhow des Fußballs aufzuschließen, muss nun den Anforderungen des Tages (der zweiten Liga) geopfert werden, denn für diese Anforderungen braucht es "gestandene" Spieler, und vielleicht ist Lell ja tatsächlich einer. Ganz eindeutig werden BP bei ihm eher an Autorität und Nimbus gedacht haben als an Intelligenz und Technik.

Er wird auf einer Position spielen, für die Hertha in all den Jahren kaum einmal mehr als nur improvisierte Lösungen aufbieten konnte (nach Friedrich waren das Chahed, Stein, Piszczek), und auf die auch jetzt aus dem Nachwuchs niemand so richtig drängt. Lell ist also wieder einmal ein Platzhalter, ein Mann für eine Saison, in der es nicht um Perspektive geht (die sehe ich bei ihm nicht wirklich), sondern ums Überleben. Man kann es auch so sagen: Hertha kauft ein bisschen Bayern-"Gen", zu einer Zeit, da der FCB selbst gerade auf soziale Intelligenz umstellt.

Mittwoch, Juni 23, 2010

Wedding Prince


Zum direkten Duell der Brüder Boateng wird es heute nicht kommen, wenn Deutschland gegen Ghana um einen Platz im Achtelfinale der Fußball-WM spielt. Jerome aus Wilmersdorf wird zumindest zu Beginn auf der Bank sitzen, Kevin-Prince aus dem Wedding wird bei Ghana im defensiven Mittelfeld spielen.

In den letzten Wochen ist in fast allen von mir konsultierten Medien eine Geschichte über die ungleichen Brüder erschienen, fast überall konnte man aus diesen Geschichten sehr schön die Grenzen des Journalismus ersehen - durchweg beruhten sie auf kurzen bis kürzesten Gesprächen mit den Betroffenen, der Rest war "Lokalkolorit" und Aufwärmen alter Hüte (die Gummistiefel des kleinen Kevin-Prince). Das "Familienduell" wurde nicht selten auf die "Grätsche" hin stilisiert, mit der Jerome im Notfall dann eben doch seinen eigenen Bruder "umsäbeln" müsste. Und es werden auch seltsame Fragen gestellt: Wie kann es kommen, dass einer vom Bolzplatz nicht "ankommt" im System Nationalmannschaft?

Das ist dann eben die Kehrseite der Anpassungsleistung, die ein Integrationswunder wie das Team von "Jogi" Löw erforderlich macht - die schwierigen Talente scheiden aus. Kevin-Prince schreibt definitiv den interessanteren Entwicklungsroman, auch deswegen, weil er sich in der Premier League inzwischen einigen Respekt verschafft hat - dort beurteilt man ihn nicht an dem Foul an Ballack im FA-Cup-Finale, sondern an seinen sehr guten Leistungen für den FC Portsmouth, wo er ein "Führungsspieler" im Abstiegskampf war, bevor eine Verletzung ihn zurückwarf und der Club endgültig ins finanzielle Chaos stürzte.

Das "Familienduell" wird also wohl in England im nächsten Jahr stattfinden, denn Jerome hat bei Manchester City ja schon unterschrieben, und Kevin-Prince hat nach seinen Leistungen in Südafrika alle Chancen auf ein Angebot von einem guten englischen Team. Hätte er gute Berater, er könnte immer noch ein Großer werden.

Dienstag, Juni 22, 2010

Harte Äste

Spanien hat sich auch im zweiten Gruppenspiel bei der WM schwer getan: 2:0 gegen Honduras in einen mäßig inspirierten Kick. Ein Detail weist dabei über den Moment hinaus: Die Auswechslung von Xavi Hernandez durch Fabregas. Dabei ging es sicher in erster Linie darum, den Star von Barcelona für das schwierige Spiel gegen Chile zu schonen, und den Star von Arsenal nach Verletzung wieder langsam auf Temperatur zu bringen. Aber Xavi hat sich sichtlich geärgert darüber, dass er direkt durch seinen Kronprinzen ersetzt wurde, und die ganze Sache bekommt ja auch dadurch einen Beigeschmack, dass Fabregas in diesem Sommer zum FC Barcelona wechseln soll.

Im Grunde ist bisher die WM eine Bestätigung für eine Tendenz, die prägend war für die ganze Saison: Ballbesitz und Passspiel waren für eine Weile das Königsrezept, der FC Barcelona hat diese Methode in einer großen Saison verkörpert und vertreten, ist aber schon ein Jahr später auf den harten Ast von Inter Mailand gestoßen, so wie Spanien vor ein paar Tagen auf den harten Ast der Schweiz stieß. Xavi ist die Verkörperung dieses Spiels, und er verkörpert, wenn es hart auf hart kommt, auch dessen toten Punkt. Denn er spielt in dubio eben noch einmal einen Pass, und dabei hängt er von originellen Laufwegen ab, für die oft einfach der Platz nicht da ist.

Noch ist Xavis Zeit nicht abgelaufen, aber die Auswechslung gestern können wir getrost als Vorschein davon nehmen, und in Zukunft kann dann der offensivere Mittelfeldtyp Fabregas versuchen, im Dickicht der Defensivmächte nach Raum zu suchen. Ein Raum, in den er notfalls selber geht, um dort höchstpersönlich die Unordnung zu schaffen, die er mit einem Pass nicht zu erzeugen vermag. Xavi kann das auch, aber er macht es seltener, und vom Gedeihen Spaniens bei dieser WM wird auch abhängen, ob seine Stilistik noch eine große Zukunft hat oder ob Fabregas (der gestern auch nicht viel zusammenbrachte) vielleicht noch in Südafrika an seine Stelle tritt.

Montag, Juni 21, 2010

Autoritätsverlust


Die Fußball-WM gibt in den letzten Tagen ein gutes Bild der Weltverhältnisse ab: Viele Länder werden von Trainern regiert, die für das komplexe Amt unterqualifiziert sind und sich in bewährte Verhaltensweisen (Sturheit, Phrasen, Durchhalteparolen, Schweigen) flüchten. Fabio Capello, Raymond Domenech, Sven-Göran Eriksson haben sich in unterschiedlichem Maße lächerlich gemacht, man darf sich vor allem im Falle Frankreichs wundern, wie blind die Offiziellen denn eigentlich auf Dauer sein dürfen, wenn sie nach den Triumphen von 1998 und 2000 zuerst den überforderten Roger Lemerre und dann den Kasperl Raymond Domenech für diese wichtige Aufgabe geeignet finden konnten.

Dass Eriksson, einer der größten Abzocker im Metier, jetzt auch noch mit der Elfenbeinküste seine Planlosigkeit öffentlich machen kann, muss als traurige Spätfolge des Kolonialismus verbucht werden. Dass aber auch Fabio Capello so schnell entzaubert werden konnte, dürfte dann doch an einer strukturellen Unregierbarkeit des nationalen englischen Fußballs liegen. Die Premier League ist ja ganz und gar auf globale Sichtbarkeit, globale Repräsentation und globales Teilnehmerfeld angelegt, damit muss zu tun haben, dass die englischen Spieler, sobald sie unter sich sind, von einer bedrückenden Ratlosigkeit befallen werden. Ist es Einsamkeit? Fabio Capello wurde von den Medien als Zuchtmeister verkauft, der seine Autorität aber in dem Moment einbüßt, in dem seine Entscheidungen nicht mehr vertretbar sind.

Ein Putschversuch durch John Terry, wie er heute in den Zeitungen beschrieben wird, das hat schon Züge von "Bananenrepublik", und das ist es genau, was mir an dieser WM zunehmend gefällt: Dass das alte Regime der etablierten Fußballnationen sich solche Blößen gibt (die Elfenbeinküste ist durch die Wahl des Coachs da ein wenig mit hineingeraten), während die Südamerikaner sich auch bei diesem Turnier als Postcaudillisten zeigen: Effizienzkollektive unter der Führung pragmatischer Taktiker. Man kommt den Klischees nicht leicht aus im Fußball, man kann sie aber immerhin ein wenig durcheinanderrühren, und dafür gibt es in Südafrika bestes Anschauungsmaterial. Im Bild: Zwei Fans auf einem Markt in Berlin, Kreuzberg.

Samstag, Juni 19, 2010

Stoßstürmer

Ich habe hier ein schweres Amt (und schwerer noch, weil es ein Amt ohne Mandat ist, so ist das nun einmal bei uns Bloggern): Frankreich, Deutschland, England, drei Großmächte des Fußballs, sind bei der WM zum ersten Mal so richtig aus der Spur gekommen. Ich aber muss über einen kanadischen Stoßstürmer schreiben, den die Hertha für die zweite deutsche Liga einkauft: Rob Friend kommt von Borussia Mönchengladbach nach Berlin. Bisher durften sich die Fans durch die Personalpolitik von Preetz und Babbel ja fühlen wie im Exil, das war alles erste Liga im falschen Film. Mit Friend aber werden wir auf die harte Realität zurückgeholt: Ein Spieler, der sich für die Bundesliga als untauglich erwiesen hat, soll nun dem Offensivspiel der Hertha ein Zentrum geben. Und er bekommt sogar einen Dreijahresvertrag und eine Stammplatzgarantie.

Mit Friend zielen BP (Babbel und Preetz) offensichtlich auf sture Abwehrlinien minderer technischer Qualität, wie sie in der zweiten Liga zu erwarten sind. Friend soll das Prinzip Kurz- und Doppelpass, das die Favrianer in Berlin ja noch nicht vollständig vergessen haben, endgültig beenden, stattdessen soll es nun Flanken hageln (die müssen dann aber auch ordentlich trainiert werden).

Schon seit Tagen schreiben die Berliner Blätter ergebenst nach, dass Babbel mit einem 4-2-3-1 spielen lassen möchte, in diesem System wäre Friend die 1. Wo wäre dann aber Ramos? Für ihn bliebe einer der Flügel, da Raffael ja hinter Friend zentral spielen soll. Aus der Rückrunde 2010 wissen wir, dass das nicht die stärkste Position von Ramos ist (seine Hereingaben spielt er am liebsten kurz und flach, Friend aber will sie hoch). Er ist besser, wenn er der letzte Mann vor der gegnerischen Defensive ist, mit Friend bekommt Ramos neuerlich einen Gekas vor die Nase gestellt - die Zeichen deuten aber ohnehin darauf hin, dass Preetz ihn verkaufen wird.

Für Domovchyiski ergibt sich die ohnehin schon geläufige Situation: er wird auf Einsätze als Joker warten müssen (ich bin nach wie vor der Meinung, dass man sich mit ihm intensiver beschäftigen sollte, schon im Training, wo er oft isoliert wirkt).

Durch die Vertragsverlängerung von Raffael hat Hertha im kommenden Jahr im Prinzip eine Konstellation wie Deutschland 2010: Sie wird ein 4-4-2 als 4-2-3-1 spielen, bei dem Raffael unser Özil ist (und Friend unser Klose). Zwei Faktoren müssen dabei bedacht werden: Von den zwei defensiven Mittelfeldspielern muss einer in der Lage sein, ganz vorne aufzutauchen und Tore zu machen. Das spricht gegen die Paarung Dardai und Lustenberger und erfordert eigentlich einen Khedira-Typ neben Lustenberger (deswegen mein Vorschlag, da Nicu einmal auszuprobieren).

Die Flügel müssen variabel bespielt werden, der Sinn kann nicht sein, immer nur Grundlinie-Flanke zu versuchen, sondern es braucht intelligente, flexible, selber torgefährliche Außenspieler in Kombination mit starken Fullbacks. Da haben wir auch wieder die Hertha-Probleme seit Jahr und Tag, nur eine Etage tiefer. Unter mühsam verhaltenem Protest füge ich mich in die Realitäten der zweiten Liga: Hallo, Friend; adios, Ramos!

Donnerstag, Juni 17, 2010

Helvetica BSC

Der überraschende Sieg der Schweiz gestern gegen Spanien (1:0) war für mich als Herthafan auch eine Zeitreise - eine Reise in den Sommer vor drei Jahren, als Lucien Favre sich auf seine erste Saison mit Hertha vorbereitete, und eine Menge Namen kursierten. Namen von Spielern, die er nach Berlin holen wollte. Es waren durchweg Namen von Spielern aus der Schweiz, zwei von dreien waren gestern im Team vom Ottmar Hitzfeld vertreten: Gökhan Inler und Gelson Fernandes (im Bild mit Joe Cole in einem Freundschaftsspiel gegen England 2008). Der dritte Name hingegen steht für die Unwägbarkeiten in diesem Metier: Blerim Dzemaili.

Inler wechselte in diesem Sommer vom FC Zürich zu Udinese Calcio, die Ablöse betrug eine Million Euro, wäre also für die Hertha auch machbar gewesen, aber er wollte in die italienische Liga, die Sache mit Berlin wurde nie auch nur im Ansatz konkret. Für Gelson Fernandes gab Manager Hoeneß sogar eine formelle Anfrage ab, aber die vier Millionen, die er bieten wollte, waren zu niedrig, denn Manchester City war bereit, 7,5 Millionen an den FC Sion zu überweisen, konnte dann aber nicht immer viel mit ihm anfangen; heute spielt er in St. Etienne und ist dort glücklicher.

Und auch der dritte angedachte Transfer eines helvetischen Mittelfeldspielers zerschlug sich: Blerim Dzemaili ging 2007 ablösefrei vom FC Zürich zu den Bolton Wanderers, verletzte sich dort aber bald schwer am Knie, und hat seither eine wechselhafte Karriere (immerhin hatte er in der abgelaufenen Saison beim FC Parma wieder einigermaßen Einsätze).

Zähle ich noch Steve von Bergen hinzu, der 2007 mit Favre nach Berlin kam und gestern in der 38. Minute für Senderos, dann war das gestern ein Match, bei dem man als Berliner durchaus ein paar sentimentale Momente haben durfte. Hopp Schwyz, hoppala Hertha.

Mittwoch, Juni 16, 2010

Überangebot

Heute greift Spanien in die WM ein, nach Meinung vieler der Topfavorit, auch ich habe viel für den Stil und das Personal von Vicente del Bosque übrig. Besonders interessant wird natürlich die Aufstellung: Es gibt ein deutliches Überangebot an guten bis exzellenten Spielern.

Da trifft es sich gut, dass mein Freund Ludger mich neulich auf eine Seite aufmerksam gemacht hat, die zu diesem Thema heute eine plausible Analyse anbietet, und die generell meinem Traum von Fußballberichterstattung recht nahekommt, wenn auch einseitig: Zonal Marking beschreibt Spiele aus einem unerschütterlichen Glauben an Taktik heraus, jedes noch so chaotisch zustande gekommene Ergebnis findet dort eine schlüssige Herleitung.

Ich erinnere mich an das Match zwischen Arsenal und Liverpool im vergangenen Frühjahr, das so oder so hätte ausgehen können, bei dem Zonal Marking aber bemerkte, dass Abou Diaby nach einer Weile ein paar Meter nach hinten gezogen wurde (im Vergleich zu seinem Nebenmann Song und seinem roten Gegenspieler), er gewann dadurch ein bisschen an Handlungsspielraum und traf später mit dem Kopf zum entscheidenden 1:0.

Für den heutigen Auftritt von Spanien geht ZM davon aus, dass Torres und Fabregas auf der Bank beginnen werden, weil del Bosque lieber mit Busquets und Xabi Alonso im zentralen Mittelfeld spielen lässt. Spätestens in den Ausscheidungsspielen sollte Spanien dieses 4-2-3-1 zur Anwendung bringen, heute könnte eventuell doch die offensivere Variante mit Xavi hinter Fabregas zur Anwendung kommen.

Die Sache ist für mich auch deswegen heiß, weil Fabregas zurück zu Barcelona will (Arsenal stellt sich noch stur, will aber vermutlich nur den Preis in die Höhe treiben), ich mich aber frage, wo er dort denn spielen soll - denn auf seiner Position im offensiven Mittelfeld ist eigentlich Messi gesetzt, der dann deutlich weiter auf den Flügel ausweichen müsste.

Barcelona hat ja auch David Villa gekauft, sodass dort vielleicht schon im Herbst die nationale spanische Offensive nahezu in ihrer Stammbesetzung auflaufen könnte, eine Kiewisierung des Spiels, gegen die Mourinhos Real sicher ganz international antreten wird. Kann man nur hoffen, dass sich der zuständige Bezahlsender auf einen Modus zur Übertragung der spanischen Liga einigt. Da sehe ich aber wenig Chancen, denn das internationale Angebot geht dort ja seit Jahren zurück.

Montag, Juni 14, 2010

Karrierepläne

Während ganz Deutschland und der Rest der Welt über die Leichtigkeit staunen, mit der Müller, Özil, Lahm & Freunde gestern Australien auseinandergenommen haben (4:0), gibt es von der Hertha nur Nachrichten, die geringeres Aufsehen hervorrufen.

Patrick Ebert, der vor zwei Jahren noch mit der Generation Özil in Kontakt war, ist seither weit vom Kurs abgekommen und kann, nach Unterzeichnung eines neuen Vertrags, im nächsten Jahr mit der Hertha einen neuen Anlauf aus der zweiten Liga nehmen. So, wie Thomas Müller gestern den rechten Flügel interpretiert hat, hätten wir uns Ebert auch einmal gewünscht - aber das Jahr unter Funkel hat ihn weit zurückgeworfen, und schon unter Favre wirkte er oft, als bedürfte er spezifischerer Betreuung (sein größtes Problem schien irgendwann das der Konzentration zu sein).

Dass Babbel ihm noch einmal eine Chance geben will, finde ich richtig. Dass Marc Stein nach neuesten Mutmaßungen kein Angebot für die zweite Liga bekommen wird, finde ich auch richtig - er wirkte immer, als wäre es ihm lieber, die Hertha bliebe im Mittelmaß, und er auf diese Weise Stammspieler. Ambition und Konzentration ließ er jedenfalls nie erkennen, und nur für einen schicken Haircut, also für den Merchandising-Katalog, muss man ihm kein Profigehalt zahlen.

Der dritte Fall ist der schwierigste: Maximilian Nicu wird auch ablösefrei gehen, verlautet inoffiziell schon eine Weile. Das bedauere ich. Es stimmt, er ist weit unter dem geblieben, was er gelegentlich angedeutet hat - seine Defensivarbeit war immer ein wenig "just for the show", und er wirkte insgesamt oft wie ein Spieler, der sich ungern das Jersey dreckig macht. Aber seine Beschleunigungen waren großartig, seine Läufe hatten oft Sinn, seine technischen Voraussetzungen hätten ihn dazu disponiert, dass man ihn zu Spezialschichten für Standardsituationen herangezogen hätte.

Vor allem aber hätte ich für ihn noch eine Idee (Lucien Favre hatte sie auch einmal): Nicu wäre ein perfekter zweiter Sechser, er könnte das spielen, was Khedira für Deutschland spielt, den zweiten "interceptor", der aber auch weit nach vorn geht. Gegen den FCB hat Nicu diese Position einmal gespielt, als Personalnot herrschte - das Spiel gewann Hertha 2:1, und Nicu trug gut dazu bei, Ribéry in Schach zu halten, und war offensiv interessant dabei.

Nicu und Lustenberger wären mir allemal lieber als Lustenberger und Dardai, es müsste aber ein etwas anderer Nicu sein, einer, der weniger selbstzufrieden wirkt auf dem Platz, einer, der mehr Verantwortung übernimmt. Ob er das noch einmal irgendwo zeigen wird?

Sonntag, Juni 13, 2010

Stehrummännchen

Heute greift Deutschland zum ersten Mal in die WM ein. Gegen Australien wird allgemein Arne Friedrich neben Per Mertesacker in der Innenverteidigung erwartet. Es sind schon zahlreiche Artikel über den Umstand geschrieben worden, dass ausgerechnet der Kapitän des Absteigers aus Berlin im Nationalteam ein veritables Comeback erlebt - nicht unbedingt als unumstrittener Topkandidat für seine Position, sondern als "verlässlicher" Kandidat für eine Rolle, die bessere Fußballer manchmal unverlässlicher gespielt haben (Tasci), während ein verlässlich besserer Fußballer wie Westermann nicht zur Verfügung steht oder der andere Friedrich (Manuel von Bayer 04) nicht mehr zum Kader gehört.

Arne Friedrich ist nach dieser Saison irgendwie wieder fein heraus, er wird ablösefrei und mit sattem Handgeld zu einem Erstligaklub wechseln, und muss dabei nicht einmal die Anmutung eines Comebacks verbreiten: er ist kein Stehaufmännchen, sondern ein Stehrummännchen, auf das dann doch immer wieder jemand zurückgreift. Nur Lucien Favre wollte das nicht tun seinerzeit im Saisonfinale 2009, aber das ist eine alte Geschichte.

Noch älter ist die Geschichte, dass Arne Friedrich 2002 für 1,8 Millionen Euro von Arminia Bielefeld zu Hertha wechselte, einer der frühen strategischen Transfers von Manager Hoeneß (im selben Jahr wechselte Sebastian Deisler für neun Millionen zum FCB). Friedrich war schon bald für die Position eines Führungsspielers designiert, sein Karriereverlauf zeigt aber auch, dass er dafür nur bedingt geeignet war - er hat einfach zu wenig Persönlichkeit (Arsène Wenger würde sagen: zu wenig "desire"), er will (nach außen) zu wenig von sich und dem Sport, er hat überwiegend Angestelltenfußball gespielt.

Es gab Momente, in denen er andeutete, dass es anders auch ginge (ich erinnere mich an zwei Pässe im schönen Jahr 2008/2009, einmal auf Voronin, einmal auf Kacar, die zu zwei wertvollen 1:0-Siegen geführt haben), aber insgesamt war er für einen modernen Verteidiger vor allem in der Spieleröffnung immer zu konservativ. Er geht eben nicht leicht aus sich heraus, auch seinem Spiel eignet etwas Knauseriges, Versicherungsmathematisches.

Und auf die zentrale Kränkung bei der WM 2006, als er so offensichtlich als Notnagel durch das Turnier schlich, hat er mit einer Verhärtung seiner Selbstdefinition reagiert - er wollte fortan nur noch innen spielen, und dort spielt er heute auch gegen Australien: ein meist verlässlicher Defensivmann, von dem man kein großes Aufheben machen müsste, wenn er sich nicht immer wieder auf eine seltsame Weise unentbehrlich zu machen wüsste. Das ist ja auch ein Talent.

Freitag, Juni 11, 2010

Mondovision

In weniger als drei Stunden beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft, ich werde vor der Kiste dabei sein. Nach Südafrika zu fahren kam nie so richtig in Frage, in vier Jahren in Brasilien könnte das anders sein. Ich werde mir, soweit es geht, alle Spiele ansehen, soweit ich bisher sehen kann, muss ich nur fünf oder sechs auslassen. Ich werde die WM-Seiten der FAZ und der SZ lesen, sowie den Guardian und den Independent.

Für die Übertragungen wünsche ich mir den Standard, den ich von der Premier League schätze, leider muss ich ohne die englischen Kommentatoren auskommen. Der Filmemacher Dominik Graf hat letzten Samstag in der SZ die Inszenierung des Spiels im Fernsehen beklagt (im Netz gibt es nur eine Kurzfassung des Gesprächs), ganz ernst kann er das mit den sechs Kameras aber nicht meinen.

Für mich ist die Grenze dort erreicht, wo heute manchmal Drohnenkameras, die auf Seilen direkt über den Spielfeld unterwegs sind, eine Dynamisierung des Spiels erzeugen, die mit diesem selbst nichts mehr zu tun hat, sondern es vielmehr unkenntlich macht. Das kostet zum Glück eine Menge Geld und verdirbt deswegen nur ab und zu Spitzenspiele. Davon abgesehen kann ich von einem Spiel im Fernsehen kaum genug bekommen, fast alles, was die Kameras aufnehmen, finde ich interessant, ich würde am liebsten nach dem Schlusspfiff immer noch lange auf Sendung bleiben und Details und Stimmung mitkriegen.

Peter Körte hat in einem Text für die FAS herausgearbeitet, wo die Fußball-Übertragung an das "große Kino" angrenzt - dort, wo die erzählerische Klimax, die Großaufnahme des Spielers, das bedeutsame Detail zusammenkommen und den Spielfluss transzendieren - bei einem Tor, einem Foul, einer Eingebung, einem Trick. In zweieinhalb Stunden beginnt Südafrika gegen Mexiko, ich wünsche mir zwei Tore von Carlos Vela und drei von den Gastgebern.

Donnerstag, Juni 10, 2010

Ein linker Fuß

Morgen geht die WM los, dann werden Michael Preetz und Markus Babbel eine Weile schön unter dem Radar dahinarbeiten können. Davor aber verdient eine Nachricht noch Aufmerksamkeit: Thomas Krücken wird den Nachwuchsbereich von Hertha verlassen. Das muss doch deutlich als befremdlich empfunden werden, denn der Sinn der Verpflichtung der ganzen verdienten Hertha-Veteranen bis zu Andreas Thom kann ja nicht gewesen sein, dass man nun einen Mann, den man erst vor wenigen Jahren aus guten Gründen hierhergeholt hat, wieder wegschickt, weil er zu wenig "Stallgeruch" (blödes Wort sowieso) hat.

Vermutlich sind da auch noch andere Dinge im Spiel, so fällt zum Beispiel auf, dass der von einer Berliner Boulevardzeitung schon zur Ablöse freigegebene Nachwuchskoordinator Frank Vogel im Amt bleibt. In der MoPo wird die Sache heute so dargestellt, dass man Krücken in einer konzeptionellen Position hätte halten wollen, dass es aber nie zu einem konkreten Gespräch kam. Das klingt vage, läuft aber im Grunde nur darauf hinaus, dass Krücken entweder Nachwuchskoordinator hätte werden können (statt Vogel), oder aber eben nichts mehr bei der Hertha.

Ich kenne die Umstände nicht im Detail, aber für ein Gesamtkonzept in der Nachwuchsarbeit braucht es auf jeden Fall irgendwo einen "Intellektuellen" des Sports und nicht nur Veteranen. Der Abgang von Krücken könnte das Opfer sein, das der Populismus von Michael Preetz mit sich bringt. Unabhängig davon ist dieser Tage auch der Profivertrag für Sebastian Neumann konkret geworden, 19 Jahre alt, geboren in Berlin, Innenverteidiger. Ein linker Fuß für die Hertha.

Montag, Juni 07, 2010

Gauchos

Heute nur kurz einen Link, an anderer Stelle habe ich etwas zu einem Buch über den argentinischen Fußball geschrieben, mit einem Filmhinweis für Menschen, die in Berlin leben, der Stadt, aus der Hertha BSC kommt.

Sonntag, Juni 06, 2010

Waldstadion

Der erste offizielle Termin der kommenden Saison steht seit gestern fest: Zweitligist Hertha BSC wird in der ersten Runde des DFB-Pokals beim SC Pfullendorf aus der Regionalliga Süd antreten. Das dortige Waldstadion fasst 7400 Zuschauer, es heißt nur auf der Website der Stadt so, denn auf der Clubseite spricht man von der Geberit-Arena. Der genaue Spieltermin muss erst vereinbart werden, er wird aber auf jeden Fall an dem Wochenende vom 13. bis 16. August sein sein.

Man könnte sich bei der Gelegenheit auch das Heidegger-Dörfchen Meßkirch anschauen, das unweit von Pfullendorf liegt. Eine direkte Bahnverbindung gibt es nicht, man kann aber nach Friedrichshafen oder Memmingen fliegen, oder aber daheimbleiben und ein Abonnement des Bezahlsenders buchen, der den DFB-Pokal sicher wieder mit einem Pflichtpaket wie Sky Dutzendware oder Sky Resterampe oder so zusammenlegt, das man dazubuchen muss.

Da der FC Arsenal eine Woche davor in Warschau eine Exhibition spielt, zieht es mich für einen Sommerausflug zum Fußball im August eher nach Osten. Aus England verlautet indes, dass Jerome Boateng bei Manchester City unterschrieben hat, vom Transfererlös des Hamburger SV wird Hertha ein Stück abbekommen und kann damit eine prognostizierte Ertragslücke zu schließen beginnen, die sich aus anderen Gründen jederzeit wieder zu öffnen beginnen kann. Zum Beispiel, wenn Hertha sich in Pfullendorf blamiert, wovon ich an dieser Stelle aber natürlich nicht ausgehe.

Freitag, Juni 04, 2010

Schlussmann

Hertha hat einen Torhüter verpflichtet. Maikel Aerts, geboren am 26. Juni 1976 (er wird also in ein paar Wochen 34 Jahre alt), kommt ablösefrei von Willem II Tilburg aus den Niederlanden. Er ist 1,96 Meter groß, also ziemlich groß, auf den Fotos sieht er aus, wie man sich einen Rückhalt vorstellen möchte.

Um die Stärke seines bisherigen Teams einschätzen zu können, halten wir uns an eine zumindest halbwegs brauchbare Vergleichszahl: Tilburg hat in der abgelaufenen Saison zwei Mal gegen den SC Heerenveen gespielt, im Heimspiel gab es ein 4:1, auswärts verlor man 2:4 (Hertha daheim 0:1, auswärts 3:2).

Wir können davon ausgehen, dass Aerts gut in das reduzierte Mannschaftsbudgetgefüge passt. Es heißt, dass Hans Meyer einen Hinweis auf ihn gegeben hatte, Christian Fiedler hat ihn mehrmals beobachtet. Das Alter von Aerts und sein relativ bescheidener Nimbus erlauben noch einen weiteren Schluss: Preetz und Babbel meinen es ernst damit, dass Sascha Burchert der kommende Hertha-Torwart sein soll.

Im Moment wird das niemand so sagen, aber ich halte es für durchaus denkbar, dass Aerts auch helfen soll, diesen Übergang zu vollziehen. Insgesamt also ein plausibler Transfer, vorbehaltlich dessen, dass Aerts natürlich erst einmal im Olympiastadion zeigen muss, was er kann - und dann auch eines Tages in Cottbus und Osnabrück, wo es ihm aber weniger seltsam vorkommen wird, denn Tilburg hat ein Stadion für 14700 Besucher und ohne Rasenheizung.

Dienstag, Juni 01, 2010

Populismus

Die Mitgliederversammlung gestern Abend habe ich ausgelassen, nach der Informationsveranstaltung von neulich war schon sehr klar, dass es zu keinen außergewöhnliche Vorkommnissen kommen würde.

Dass Raffael dann höchstpersönlich seinen neuen Vertrag den anwesenden Mitgliedern zur Kenntnis brachte, finde ich gut - und es zeugt nebenbei von einem Umstand, den man doch einigermaßen erstaunlich finden kann: Michael Preetz ist mit dem Ende der Saison und mit der neuen Situation in kürzester Zeit zu einem veritablen Politiker gereift, der sogar die notwendige Dosis Populismus mitbringt. Wie in den letzten Tagen und Wochen der Unmut der Basis abgefangen wurde, wie mit der geschickten Vertaktung von Personalnachrichten die Stimmung ins Positive gewendet wurde, das nötigt durchaus Respekt ab.

Der Transfer von Raffael musste zwar über die Bande der Verpflichtung seines Bruders gespielt werden, sodass Preetz mit Ronny und Kobiashvili bisher ein wenig linkslastig in seinen Personalien ist - aber es deutet doch alles darauf hin, dass man um das "bigger picture" weiß, dem der Kader in der neuen Saison entsprechen muss.

Abgesehen von den unterschriebenen Verträgen ist fast alles, was derzeit so geschieht, vor allem Zeitgewinn: Die Hertha wird wohl die Lizenz auf Basis der Annahmen bekommen, die der Club für die nächste Saison getätigt hat, und die DFL-Lizenzierer werden ihr wohl auch den Optimismus abnehmen, dass das veranschlagte Defizit von 2,5 Millionen Euro beherrschbar ist (de facto wurde es ja so dargestellt, dass diese Zahl auf vorsichtigen Annahmen beruht, die durch positivere Ergebnisse da und dort - im DFB-Pokal oder bei Transfers - bald übertroffen werden sollten).

Der wichtigste Wermutstropfen betrifft den Nachwuchs: Das Budget für die Akademie wird auf ein Fünftel (!) reduziert, dagegen sind die 100000 Euro für ein Eliteprogramm der Jungen nur symbolische Kompensation. Und auch hier erweist sich Preetz als Populist: Dass er den Akademiebetrieb jetzt mit Hertha-Recken wie Andreas Neuendorf oder Andreas Thom auffüllt, gefällt den Fans, sagt aber wenig über die einschlägige Kompetenz, die gerade im Nachwuchsbereich ja sehr stark auch von erworbenem Wissen abhängt, das nicht direkt aus dem Betrieb selbst kommen kann.

Bei der Hertha tut sich was, und wenn es nur dass ist, dass Michael Preetz in eine Rolle hineinwächst, zu der ihn erst der Abstieg so richtig befreit zu haben scheint.