Mittwoch, August 05, 2009

Hymnenstreit

Aus begreiflichen Gründen habe ich noch nie die Vereinshymne von Schalke 04 gesungen. Ich wusste deswegen auch bis heute nicht, dass in dem 85 Jahre alten Lied folgende Zeilen vorkommen: "Mohammed war ein Prophet, der vom Fußballspielen nichts versteht. Doch aus all der schönen Farbenpracht hat er sich das Blau und Weiße ausgedacht." Darauf sind nun türkische Medien aufmerksam geworden, die aus der Sache einen "Hymnenstreit" nach dem Vorbild des "Karikaturenstreits" zu entfachen versuchen.

Selbst der Guardian vermeldet, dass der FC Schalke nun einen Islamwissenschaftler zu Rate gezogen hat, der herausfinden soll, ob die Hymne anstößig ist. Bei genauer Lektüre könnte man den Text aber sogar so verstehen, dass er die religiöse Funktion des Propheten ausdrücklich bestätigt: Indem das Präteritum "war" der ersten Zeile in das Präsens "versteht" der zweiten Zeile überführt wird, geht die Schalke-Hymne von einer anhaltenden Gegenwart Mohammeds aus.

Interessant ist auch, dass sein Verhältnis zum Schöpfergott (der für all die schöne Farbenpracht verantwortlich ist) ganz orthodox aufgefasst wird - unser Amt auf Erden ist nicht, Farben zu erfinden, sondern sie zu kombinieren und zuzuordnen, oder auch: uns den Farben zuzuordnen, oder ganz genau: uns den Farben zuordnen zulassen von jenen geheimisvollen Mächten, die auf unser Leben einwirken, die mich zu einem Fan von Hertha BSC gemacht haben und die von Hadschi Halef Omar ben Hadschi Abul Abbas ibn Hadschi Dawud Al Gossarah als "Kismet" bezeichnet werden.

Man kann die Sache aber auch so sehen: Die Schalke-Hymne hat in ihrem Text doch deutliche Restbestände aus einer Zeit, als "Negerwitze" und orientalisierender Blödsinn noch ganz normal waren. Nur im Fußball kann so was so lange quasi unbemerkt überleben. Jetzt sind alle ein wenig peinlich berührt, nur die lokalen Zeitungen bringen schon einmal die Fans gegen die bierernsten Muslime in Stellung, die überall Verhöhnung ihrer Religion und ihrer Kultur wittern und damit ja so unrecht nicht immer haben.

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