Sonntag, Mai 03, 2009

Würfelspiel

Das Ruhrgebiet ist, jedenfalls um diese Jahreszeit, überraschend grün. Ich kenne das Revier ja vor allem aus dem Kino, und da sieht man selten, wieviel Natur es zwischen den Zechen, Städten, Fabriken, Gasometern und Einkaufszentren gibt. Die Arena auf Schalke, die zu ihrer eigenen Größe noch einen künstlichen Hügel aufgeschüttet hat, ist zugleich ein toller Aussichtspunkt auf diese Landschaft.

Ich musste gestern nur einen überständigen Renditephantasten abschütteln, der mir eine Karte, die ursprünglich 19,50 Euro gekostet hatte und die er "auf ebay" ersteigert haben wollte, um 25 Euro nicht überlassen wollte, weil er mehr an 50 Euro dachte. Gleich dahinter traf ich einen Mann, der eine Karte im Wert von 47,50 unbedingt loswerden wollte und einen deutlich Abschlag auf 30 Euro in Kauf nahm.

Da schlug ich zu, und schon war ich drinnen in der Arena, in der eine eigene Währung als Zahlungsmittel gilt, der "Knappe", der mit dem Euro 1:1 konvertibel ist, aber nur in Form einer Knappenkarte zu haben ist. Deren Guthaben wird man bei Verlassen der Arena nie auf den letzten Cent ausgeschöpft haben, es bleibt also Woche für Woche eine hübsche Summe auf dem Knappenkonto, mit der sich wirtschaften ließe, wenn es denn gegenwärtig irgendwo noch Zinsen gäbe. Österreichische Staatsanleihen? Attraktiv wegen der Risikoaufschläge.

Ich sah, von hoch oben, ein attraktives Spiel von Bayer 04 Leverkusen, die schnell 2:0 führten und Schalke so richtig in der Mangel hatten. Wenn es Labbadia gelingt, diese junge Mannschaft zu konsolidieren und zusammenzuhalten, wird das noch eine spannende Sache. Aber es geht eben nicht nur um Spiel, sondern um Mentalität, um Einstellung und all das, und um ein Haar und einige gute Paraden von Adler hätte Bayer die schöne Dominanz in der zweiten Halbzeit wieder hergegeben. Da war ich schon die ganze Zeit am Errechnen der Blitztabelle nach jedem neuen Zwischenstand aus den anderen Stadien.

Ohnehin ist es schwierig, den blöden Würfel in der Arena zu ignorieren, der mittendrin hängt und zu dem man viel öfter hinaufschaut, als man eigentlich möchte. Ich saß ja so, dass ich zum Würfel geradeaus hinüberschauen konnte, während der Blick auf das Feld eine perfekte taktische Übersicht bot. Beim Hinausgehen lernte ich noch eine neue Vokabel: "Mundlöcher" heißen die Zugänge, die von der Bratwurstmeile, die in einer modernen Arena natürlich "indoor" ist, ins eigentliche Stadion führen. In den Mundlöchern darf man nicht verweilen, weil sie aus Gründen der Raumkomprimierung zahlreich, dafür aber eng sind.

Ich verließ das Land der alternativen Währung ohne Knappenkarte, und fand es dann auf dem Weg zurück nach Oberhausen ganz erstaunlich, wie gelassen die Schalker Fans den Rückschlag hinnahmen. In der proppenvollen Straßenbahn reichte ein Schweinegrippenwitz, und schon war die allgemeine Heiterkeit - und die Vorfreude auf von Muttern versprochene "Nudelsalat, Frikadellen und Schnitzel" - zurück.

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