Donnerstag, Oktober 30, 2008

Nimbus

Heute werde ich nach Berlin zurückkehren, gestern saß ich noch einmal in der Wiener Sportbar, rechts lief die deutsche Konferenz, zentral ein wenig später die Übertragung des Londoner Derbys zwischen Arsenal und Tottenham auf Sky Sports. Während die Hertha einen schönen Arbeitssieg mit 3:0 gegen Hannover herausspielte, führte Arsenal mit einem jetzt schon sagenumwobenen 4:4 wieder einmal tief in die Geheimnisse des Fußballs. Was die Mannschaft von Arsène Wenger nun schon seit dieser ominösen Saison der "Unbesiegbaren" von 2003/04 immer wieder zeigt, ist gewissermaßen die Kehrseite dessen, wie Hertha sich immer mehr in die Saison und in die Liga hineinarbeitet. Arsenal hat gestern einen typischen frühen Gegentreffer durch einen Wunderschuss von Bentley hinnehmen müssen, hat dann aber das Match gedreht, nach zwei Dritteln stand es 3:1, dann fiel durch einen geistesgegenwärtig verarbeiteten Querschläger der Anschlusstreffer für die Spurs, aber schon fast im Gegenzug vollendete van Persie einen superben Konter zum 4:2. Danach war alles klar, bis Clichy drei Minuten vor dem Ende ein wenig begriffstutzig auf den Ball trat, ausrutschte und Jenas ziehen ließ, der aus 20 Metern souverän abschloss. Es gab (aus unerfindlichen Gründen) vier Minuten Nachspielzeit, an deren Ende Lennon das vierte Freak-Tor für Tottenham an diesem Abend schoss. Das 4:4 fühlte sich an wie ein Debakel, weil Arsenal einmal mehr zu erkennen gegeben hatte, dass sie zwar das Spiel so großartig wie keine andere Mannschaft beherrschen, dass sie aber keine Kontrolle darüber haben. Ihnen fehlt es an Nimbus und an Souveränität, und so murksen sie sich durch die Saison, während Liverpool ein uns andere Mal 1:0-Siege verbucht, bei denen die rigorose Kontrolle des Spiels und die Ausschaltung jeglichen Zufalls absolute Priorität hat. Arsenal schafft Dramen und Delirien, Liverpool aber könnte den Titel schaffen. Was ist mir lieber? Nun, nachdem die Hertha ja heuer ganz gut mitspielt und ich nicht ständig in der Premier League Trost für das Gestiefel in Berlin suchen muss, kann ich mit der Situation gut leben. Ich fürchte nur, dass es die Mannschaft zerreißt, wenn Arsenal heuer nichts gewinnt: Fabregas, Adebayor und einige weitere Spieler werden dann zur Beute der Großclubs, und Arsenal wird in das Mittelmaß versinken. Und um das wettzumachen, wird Hertha noch einige Epochen brauchen.

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