Sonntag, August 17, 2008

Euphoriebremse

Jetzt ist auch die Hertha drin in dieser Saison, und zwar gar nicht schlecht: 2:0 bei Eintracht Frankfurt, ein Auswärtssieg gegen einen Gegner, der einen ähnlich evolutiven Ansatz hat, aber offensichtlich über einen weniger versierten Fussball-Lehrer verfügt. Denn was Coach Favre heute aus seiner Elf herausgekitzelt hat, hat tatsächlich Perspektive. Ich brauchte zwar eine ganze Weile, um mich zurechtzufinden, so originell war das System heute: Simunic als Libero auf gleicher Linie mit Kaká und von Bergen, außen Stein und Pisczcek, die sich wahlweise zur Verteidigung oder zum Mittelfeld (und gegebenenfalls zum Flügel) zählen durften. Davor Kacar, davor Cicero und Raffael eher links (sie brauchten eine Weile, um sich abzustimmen) und der leidenschaftliche Patrick Ebert auf rechts, und davor Pantelic als Mittelstürmer, Schlepper, Herumgeisterer. Das gab viele Möglichkeiten, den Ball "durchzustecken", mehrmals kam die Hertha vor das Tor von Frankfurt, aber erst kurz vor der Pause gab Pantelic einen seiner genialen Assists in den Sechzehner und in den Lauf von Raffael, der Nikolov umkurvte, auf den Ball stieg und ihn sich herrichtete für ein Tor aus spitzem Winkel. Nach der Pause dann wenig Drang von der Eintracht und ein überragender Konter von der Hertha, bei dem wieder Pantelic, dieses Mal rechts draußen, die Rolle des Assistenten zufiel. Links kam Ebert, und wer genau hinsieht, kann vor dessen Abschluss einen winzigen Verzögerungsschritt nach links ausmachen - erst so kam er in die perfekte Balance, um mit links und mit dem Innenrist einzuschieben. Exzellente Fitness ist Voraussetzung für so was. Ebert war heute fast zu aggressiv, einmal ging er mit gestrecktem Bein in den Mann, das blieb aber ungeahndet. Der Coach nahm ihn trotzdem herunter, später gab der Berliner Jung' ein gutes Interview. Er macht sich. Zwei Dinge fielen heute positiv auf. Frankfurt hatte viele Corner, früher hat die Hertha dabei immer schlecht verteidigt, heute hatte sie diese Standardsituationen weitgehend im Griff - das ist ein kaum zu überschätzendes Novum. Zweitens kamen die Frankfurter heute nicht so richtig "in die Zweikämpfe", wie man so schön sagt; der Grund dafür war die technische Überlegenheit fast aller Herthaner, die deswegen aber trotzdem das Kämpfen nicht vergaßen. Der Kommentator auf Premiere war jedenfalls mächtig beeindruckt, und auch Heribert Bruchhagen, Vorstandsvorsitzender von Eintracht Frankfurt, zollte Tribut. Er gab in der Pause ein Interview, für das ihm von dieser Seite aus Respekt gezollt werden muß: "Frankfurt ist eine liberale Stadt, wir heißen Migranten willkommen", sagte er, sein Team spielte heute mit "United Colors of Frankfurt" auf der Brust. Die Hertha spielte als weißes Ballett, und deutete an, dass sie etwas in diese Richtung im Sinn (und im Vermögen) hat. Friedhelm Funkel musste danach viele Fragen zum Begriff "Euphoriebremse" beantworten. Die Hertha trifft auf ihre am nächsten Samstag: Arminia Bielefeld.

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