Samstag, Mai 24, 2008

Aufbruch

"Vom Umbruch zum Aufbruch", so lautete die Parole, die Manager Hoeneß gestern auf der Mitgliederversammlung ausgab. Es war lang und ein wenig fad, weil die wesentlichen Wahlentscheidungen schon hinter den Kulissen getroffen worden waren, die gut 900 erschienenen Mitglieder konnten nur abnicken. Der neue Präsident Gegenbauer erhielt knapp unter 80 Prozent der gültigen Stimmen (ich habe gegen ihn gestimmt, weil er mir zu sehr für das alte West-Berliner Milieu steht, das die Hertha auf dem Status eines Provinzclubs festhält), sein Vorgänger Schiphorst schaffte es problemlos in den Aufsichtsrat. Einzige Personalie, die mich ein wenig aufmerken ließ, war die Bewerbung von Scott Körber, CDU-Politiker aus Tempelhof-Schöneberg, der einmal unangenehm aufgefallen ist, weil er sich während seines Wahlkampfs nicht beurlauben, sondern krankschreiben ließ. Er hat dann auch tatsächlich nicht genug Stimmen bekommen (über 400 waren es immer noch), um ins Präsidium einzuziehen. Von einer Gruppe, die hinter den Kulissen an "innovativen" Lösungen bastelt, war im ICC nur ein unnötiger Kurzauftritt von Alt-Herthaner Holst und eine Kandidatur von Klaus Brüggemann übriggeblieben, der sich auch eher populistisch als reformerisch präsentierte und eine Kampfabstimmung um den Vizepräsidentenposten verlor. Das alles lief recht problemlos nach Drehbuch, ich kann mit diesem Milieu nichts anfangen, es war doch auffällig, dass von den gut 25 Leuten, die sich da gestern für das eine oder andere Amt vorstellten, niemand eine interessante, durchdachte Position vorbrachte. Stattdessen war eine Menge sentimentaler Populismus - wer damals im Regen gegen die und die Mannschaft in der dritten Liga nicht schon den Wimpel der 300 Aufrechten gehalten hat, darf sich bei der Hertha keine Chancen ausrechnen. Ich verstehe ja auch, dass die Mitglieder ein wenig Sehnsucht nach Identität haben. Ich glaube nur nicht, dass Christian Fiedler sie auf dem Platz stiften soll. Außerdem fühlen sich die Herthaner ein wenig um das Nationalteam betrogen, außer Arne hat Berlin da ja nix mit zu tun. Mehrmals kam gestern ein Vorbehalt gegen die radikale Internationalisierung der Mannschaft zur Sprache, die Coach Favre betreibt. Manager Hoeneß will deswegen vier Siebzehnjährige aus dem Nachwuchs mit Schnupperprofiverträgen ausstatten. Aus der Rede zur sportlichen Lage war dann deutlich herauszuhören, dass die Zeit von Josip Simunic bei der Hertha abgelaufen sein dürfte - seine Ausstiegsklausel erläuterte Hoeneß so detailliert, als wollte er ausdrücklich dazu einladen, sie zur Anwendung zu bringen. Kurz nach 23 Uhr ließ ich die Sache gut sein, ich hatte eine einzige Ja-Stimme abgegeben (für Torsten-Jörn Klein, einen Medienmanager von Gruner & Jahr, dem ich in anderer Angelegenheit vorwerfen würde, dass sein Unternehmen den Berliner Verlag vor die Hunde geworfen hat, der sich gestern aber in Sachen Hertha BSC plausibel präsentierte), und hoffe nun ja auch selbst irgendwie auf einen Aufbruch. An Coach Favre und dem gestern auffällig unauffälligen Michael Preetz liegt es nun vor allem, ob die Hertha irgendwann so groß wird, dass sie dem Mief des Berliner Westens entkommt.

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