Donnerstag, November 15, 2007

Klapsmühle

Eine Woche, in der die meisten Herthaner bei ihren Nationalteams sind, ist für die Boulevardmedien eine schwierige Sache. Sie schreiben dann über den Hinterbliebenen Pal Dardai, der sich wundert, warum er seinen Stammplatz verloren hat ("ich sehe niemanden, der auf meiner Position viel besser ist als ich" - ich auch nicht, das ist ja das Problem), oder sie enthüllen, dass Malik Fathi sich an der Humboldt-Universität eingeschrieben hat, um einen Mono-Bachelor (so heißt das heute) in Sportwissenschaft zu machen. Den heißesten Fall hat aber die "Bild" entdeckt: die Seele von Josip Simunic. Nach seinen häufigen roten Karten hat der Kroate einen Mentaltrainer konsultiert, offensichtlich auf dringendes Anraten des Vereins. In Kroatien wurde er dazu befragt, die Antwort fiel kategorisch aus: "Weder bin ich nervös, noch bin ich wütend, und am wenigsten bin ich verrückt." Da ist es wieder, das alte Vorurteil, dass ein Mann sein Innenleben mit sich selbst auszumachen hat, vor allem ein Mann, der sein Geld mit einem Mannschaftssport verdient. Dabei ist Simunic ein klassischer Fall (ich wage eine Ferndiagnose): kulturell hin- und hergerissen zwischen Selbstbild und Realität, zwischen dem Macho-Haufen in der Nationalmannschaft und dem Testosteron-Vakuum in Berlin, zwischen Gehaltszettel und Leistungsdaten, zwischen coolen Aktionen und unbedachten Reaktionen, hat er einfach eine Menge zu verarbeiten. Diese Erfahrungen passen in keine Slot-Machine. Die Medien bilden eine Kulisse, die den Widerstand des Sportlers verstärkt: "Ich bin doch nicht verrückt." Dieter Hoeneß bildet eine Kulisse, die den Widerstand des Sportlers auch verstärkt. Herausfinden kann er nur durch gute Erfahrungen - idealerweise im defensiven Mittelfeld, wo er auch offensive Möglichkeiten hat, mit seinem Problem umzugehen. Wo er lernen kann, umzuschalten (das Spiel) in einer Kultur, in der alle ständig versuchen, "den Schalter umzulegen".

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