Sonntag, April 29, 2007

Planungssicherheit

Würde zu gern wissen, was in dieser Traube gesprochen wurde, die sich gestern nach dem vierten Treffer bei Alemannia Aachen rund um den Torschützen Yildiray Bastürk bildete: "Überleg's dir noch einmal! Unterschreib bei uns! Wir haben jetzt Planungssicherheit." Das war das Stichwort nach dem 4:0-Auswärtssieg, denn die Hertha hat drei Spiele vor Saisonende keine Abstiegssorgen mehr, kann vielmehr noch ein wenig auf den UI-Cup spekulieren (und ich auf eine Reise nach Kasachstan). Der Sieg wurde in dieser Höhe erst in der zweiten Halbzeit verdient, es war viel Unvermögen der Aachener nötig, um die keineswegs überzeugende Hertha auf die Siegerstraße zu bringen. Volker Finke hat am Samstag in einem großen Interview mit Michael Horeni in der FAZ die Anforderungen an moderne Spieler mit "Schnelligkeit und Koordinationsfähigkeit in Verbindung mit Ballkontrolle plus Überraschungsmomente" definiert - davon sind fast alle Hertha-Profis weit entfernt. Immerhin hat Malik Fathi sich dieses Mal deutlich mehr nach vorne betätigt, er wird Selbstvertrauen gewonnen haben. Es spricht für die Integrationsarbeit von Karsten Heine, dass er Neuendorf und Cairo wieder an die Mannschaft heranführt - mir behagt das aber nicht so, schließlich war mir in dieser Woche auch schon das Gespenst Niko Kovac (als Sportdirektor!) erschienen, und ich will nicht andauernd dabei zuschauen müssen, wie bei der Hertha untaugliche Routiniers die Positionen blockieren. Dardai hat Kovac überwunden, einen Fortschritt sehe ich darin nicht. Die Hertha muss aber im Moment froh sein, wenn sie sich in Sichtweite der internationalen Plätze konsolidieren kann. Der Mann in der Traube hat sich über sein Tor gefreut, halten werden sie ihn aber auch so nicht können. Ach was: Bleib da, Yildiray!

Donnerstag, April 26, 2007

Champions

Das halbe Semifinale der CL ist gespielt, und ich muss sagen, dass es dem Bewerb alle Ehre eingebracht hat: das war wirklich Fussball auf einem irren Niveau. Ganz unterschiedliche Spiele dabei. ManU gegen Milan wechselte mehrmals den Besitzer, wurde schließlich durch Ausnahmekönner wie Rooney oder Kaká bestimmt, entschieden aber dort, wo die Hertha so jämmerlich besetzt ist - im zentralen Mittelfeld. Scholes und Carrick gewannen mit zunehmender Dauer die Oberhand über Gattuso und Pirlo, der seinen Kettenhund dann auch verlor, weil Gattuso verletzt hinaushumpelte. Beide Teams haben Schwachpunkte (Dida, Heinze), aber die generelle Qualität des Spiels wurde durch Intelligenz und Schnelligkeit so weit angehoben, dass Zweikämpfe zwar eine Rolle spielten, aber keineswegs das probate Gegenmittel wären - was da zu sehen war, lässt sich nicht vollständig zerstören, es gibt keine Cottbus-Methode dagegen, man kann nur mitspielen und besser spielen, wie Scholes und Rooney es dann auch bewiesen haben. Chelsea hat gegen Liverpool gestern ein wenig wie Cottbus gespielt, allerdings auf einem Niveau, das der Bundesliga um Lichtjahre voraus ist - auch hier war es ein Einzelleister, der dann die entscheidende Intervention setzte: Drogbas Lauf und Wendung vor dem Pass auf Joe Cole war praktisch "unverteidigbar". In Europa und in England ist nun die Frage, ob und in welcher Konstellation ManU und Chelsea was aus dieser Saison herausholen werden - beide können in der CL noch scheitern, keine Frage, sie scheinen aber die definitiven Mannschaften dieses Frühjahrs zu sein, und ich tippe hier einmal, dass nicht Christiana Ronaldo, sondern Didier Drogba der "man of the year" sein wird, ganz am Ende.

Dienstag, April 24, 2007

Guter Spieler

Die "Berliner Zeitung" bringt heute ein Interview mit Urs Siegenthaler, DFB-Scout und Mitdenker von Joachim Löw, der seinerseits am Sonntag dem deutschen Ligafussball wieder einmal eine begründete Meinung gesagt hat. Siegenthalers Definition eines guten Spielers: "Ein Spieler, der unter Bedrängnis die mentale Bereitschaft hat, nicht zu Notlösungen zu greifen." Was aber, wenn Spieler schon ohne Bedrängnis zu Notlösungen greifen? Dann sieht man den Spielaufbau bei Hertha BSC. Mein leidgeprüfter Freund Christian, Fan von Borussia Mönchengladbach, glaubt übrigens zu wissen, wohin es den (schlecht frisierten) guten Spieler Marcell Jansen zieht: Nicht zum FC Bayern München, sondern zum FC Arsenal nach London, einem Verein, der immer schon an Lösungen für die Probleme in drei, vier, fünf Jahren arbeitet.

Montag, April 23, 2007

Zweidrittelgesellschaft

Lustige Liga. Die Hertha ist durch das 0:1 gegen Dortmund um einen Platz nach vor gerückt, steht nun auf der 7. Position und führt die zwei Drittel des Felds an, die nach unten sehen müssen. Politisch sprechen wir von einer Zweidrittelgesellschaft, wenn ein Drittel am unteren Ende der Wohlstandsskala de facto abgehängt wird - ein analoges Stichwort ist Prekarisierung. Im deutschen Fussball ist das Prekariat doppelt so gross. Dieter Hoeneß hatte im Herbst noch biblische Bilder gebraucht: In der Liga trennt sich die Spreu vom Weizen, und die Hertha gehört zum Weizen. Dachte er damals. Dieser Satz wird ihm nachhängen bis weit in den Sommer, wenn er aus der Spreu seiner Transferpolitik und einigen Samenkörnern aus dem Nachwuchs eine neue Mannschaft bauen muss, der man die Zugehörigkeit zum Prekariat nicht sofort ansieht.

Sonntag, April 22, 2007

Standardsituation

Ob Falko Götz gestern ein wenig Schadenfreude empfunden hat? Die Hertha hat im zweiten Spiel unter Karsten Heine 0:1 gegen Borussia Dortmund verloren, vor 65000 Zuschauern im Olympiastadion. Dabei war eine Menge von dem zu sehen, was die Mannschaft unter Götz gelernt hat: sie hat zögerlich gespielt, kurz nach der Pause aus einer Standardsituation den Gegentreffer kassiert, und danach war es ein holpriges Durcheinander. Dabei hatte Heine eine echte Variante auf das Feld geschickt: Dreierkette mit Simunic auf rechts und Fathi auf links, zentral van Burik. Davor Dardai und Mineiro, und rechts Dejagah, der immer mehr andeutet, dass er wohl doch eine empfindliche Lücke reißen wird. In der ersten Halbzeit war es teilweise kaum auszuhalten, wie denk- und lauffaul die Defensivlinie in der Spieleröffnung ist. Simunic glaubt, jeden Pass aus dem Stand spielen zu müssen. Fathi ist immer noch verunsichert bis in die Unterhose. Van Burik bringt nur knapp ein Drittel seiner langen Pässe ins Feld. Davor an der Schaltstelle der Chaot Pal Dardai, der immer mehr zur Symbolfigur dieser Saison wird - er gilt als Stütze, er hat einen unumstrittenen Stammplatz, fällt denn niemand auf, dass er nicht gut Fussball spielen kann? Mineiro war gestern ein wenig besser, und Pantelic kam im Verein mit Gilberto und Bastürk allmählich auf Touren, bevor ihn ein Foul aus dem Spiel nahm. Gimenez erstaunt uns immer wieder neu mit seinen eklatanten Schwächen bei der Ballannahme. Die Hertha zeigte aber auch in der starken Phase gegen Ende der ersten Halbzeit nur bedingt, dass sie in der Tabelle nach oben will. Diese Mannschaft spielt eindeutig mit Ablaufdatum im Kopf, Bastürk begann gestern seine Abschiedstournee, nach dem Gegentor nahm er sich selbst langsam aus dem Spiel. Ebert und Ede zeigten neuerlich ihr Potential, zwei Junge von elf Individuen, die kein Team bilden. Die Gründe dafür reichen lange zurück, in die Ära von Coach Götz und Manager Hoeneß.

Samstag, April 21, 2007

Dieter Hoeneß raus!

Die Fans haben noch ein Projekt. "Dieter Hoeneß raus!" Das war schon am Tag nach dem Auswärtssieg bei Bochum im Amateurstadion ein wichtiger Slogan, und es steht zu erwarten, dass die Ostkurve heute bei einem Sieg wie auch bei einer Niederlage gegen den BVB in die gleiche Richtung skandieren wird. Zum Thema hat Raphael Honigstein in einem Blog des Guardian (leicht zu erreichen über football.guardian.co.uk/, dort gibt es links eine Linkreihe mit den Kolumnisten; sehr zu empfehlen sind Kevin McCarra, David Lacey und Paul Kelso) einen polemischen Text verfasst, der einen Schwanz von Postings bewirkt hat, von Menschen wie Hirndobler etc. Dabei geht es immer darum, ob es ein Verdienst ist, dass Hertha überhaupt ein halbwegs stabiler Bundesliga-Mittelständler geworden ist, oder ob der Club nicht dramatisch unter den Möglichkeiten bleibt, die sein Umfeld bietet. Schätze mal, dass die Lernkurve bei allen Beteiligten wesentlich länger sein wird, als es mir lieb sein kann. Hoeneß hat sicher seine Verdienste, er sollte begreifen, dass er durch einen rechtzeitigen Abgang (Ende dieser Saison) für alle Zeiten eine Legendenposition bei der Hertha haben kann - der Mann, der den Verein aus dem Jammertal in die Bundesliga geführt hat. Den langsamen Aufstieg nach Europa aber sollte jemand gestalten, der eine Ahnung vom Fussball hat.

Freitag, April 20, 2007

Traditionsclub

Bei Arsenal gibt es größeren Wirbel. David Dein, wichtiger Anteilseigner und Mitglied des Boards, ist im Streit aus der Führungsriege ausgeschieden. Es heißt, er hätte eine Übernahme des Clubs durch den amerikanischen Milliardär Stan Kroenke (Bild irgendwo in den Tiefen dieser Seite) befürwortet, während die anderen Großaktionäre an den englischen Besitzverhältnissen festhalten wollten. Was das für die tägliche Arbeit bedeutet, muss sich erst weisen: Dein gilt als enger Freund von Arsène Wenger und Thierry Henry, wobei der Coach aber in der Frage der Übernahme eher auf der Seite der Traditionalisten steht. Er hat noch Vertrag bis 2008. Auch nach dem Abgang von Dein (der übrigens gegen den Bau des neuen Emirates-Stadium war und anscheinend zuletzt schon ein wenig marginalisiert) ist Arsenal voll handlungsfähig, heißt es von Keith Edelman, der die täglichen Geschäfte führt. Detail am Rande: Dein hat 1983 für 9072 Anteile an Arsenal die Summe von 292000 Pfund Sterling bezahlt - heute ist das Paket nicht weniger als 69 Millionen Pfund wert, woraus sich erst ermessen lässt, welchen Wahnsinnsboom der englische Fussball nach der Gründung der Premier League in den neunziger Jahren hatte.

Dienstag, April 17, 2007

Sonntagszeitung

Ziemlich
exponiert
saßen wir
am Sonntag
auf der
Haupttribüne
des Jahn-
Sportparks,
Simon und ich,
und haben uns
das Match
der Hertha-
Amateure
gegen Erfurt
angesehen.
Die Sonne
brannte
herunter, der Wirtschaftsteil der FAS musste zu einem behelfsmäßigen Hut umfunktioniert werden. Das Spiel endete 1:1, war also kein Durchbruch im Kampf gegen den Abstieg der ehemaligen Jungs von Karsten Heine. Wir hatten aber Spass an den Details, an der Hymne vor dem Spiel ("Wild Boys"), an den Läufen des kleinen Linksaußen Traore, an den Gesängen aus dem Sektor der Erfurter, und an der kleinen Aufregung, die auf der Tribüne entstand, als Josip Simunic unter den Zuschauern entdeckt wurde. Der anscheinend stark im positive Stimmung bemühte Hertha-Star saß mit Begleiterin fast eine Stunde in der prallen Sonne, war dann aber noch vor Spielende plötzlich verschwunden. Wäre nicht verwundert, wenn er sich für das heutige Training wegen Sonnenstichs abmelden müsste. Sieben Punkte bei sechs Spielen fehlen den Amateuren ("Hi, ha, höre, Hertha Amateure!") auf Holstein Kiel, die Mannschaft über dem Strich in der Regionalliga Nord. Ich habe ein weiteres "field of interest" zu bestellen.

Sonntag, April 15, 2007

Trainereffekt

Gestern war wieder einer dieser Tage (an denen alles super läuft). Arsenal hat Bolton 2:1 geschlagen, und Hertha hat in Bochum sogar 3:1 gewonnen. Ein Gegentor in der ersten Minute durch Gekas wurde in der zweiten Halbzeit durch Gimenez, Gilberto und Ede wettgemacht - der Ausgleich war wohl irregulär, weil Gimenez in dieselbe Spielsituation eingriff, in der er anfangs zu weit vorn stand; das Führungstor war ein abgefälschter, keineswegs sehr gefährlicher Schuss von Dardai, das 3:1 ein perfekter Schlussminutenkonter, den der schnelle Ede perfekt abschloss. Es war einer jener Siege, die zufällig und doch richtig sind - es hätte auch alles ganz anders kommen können, aber am Ende hat sich niemand beschwert. Marcel Koller, der Trainer von Bochum, sprach vom Fluch des frühen Tors, ein Phänomen, das die Hertha auch gut kennt. Karsten Heine hatte in seinem ersten Spiel taktisch genau das gemacht, was die Clubführung für diese Saison als Parole ausgegeben hatte: er schuf die Möglichkeiten, "mutig nach vorne zu spielen". Die Dreierkette Chahed-van Burik-Fathi brauchte eine Weile, um sich zu finden, und das defensive Mittelfeld mit Mineiro und Dardai blieb durchgehend schwach und fahrig (Mineiro leitete das Gegentor mit einem unglaublichen Ballverlust ein, später machte er noch ein Foul im Strafraum, das nicht geahndet wurde). Weiter vorne aber begann sich das Räderwerk rund um Bastürk allmählich zu justieren. Gilberto war offensichtlich froh, wieder im Mittelfeld agieren zu dürfen, und als in der zweiten Halbzeit Dejagah für Ebert kam, wurde das Spiel noch ein wenig zwingender (zum ersten Mal habe ich gestern ein wenig Wehmut verspürt wegen des Abgangs von "Asche" Dejagah). Bochum hatte riesige Chancen, und hätte eben auch diesen Elfer bekommen müssen. Den Elfer, den Hertha in der ersten Halbzeit bekam, verschoss Pantelic so jämmerlich, wie es für eine "Heulsuse" nur geht. Egal. Das Spiel hat bestätigt, was die Aussagen von Karsten Heine während der Woche schon angedeutet haben: Er versteht Formeln als Grundlage für das freie Spiel, so spricht er, und so lässt er arbeiten. Heute nachmittag spielen die Amateure im Jahn-Stadion gegen Erfurt. Ich werde dort sein.

Samstag, April 14, 2007

Sperre

Josip Simunic hat diese Woche dem Kicker ein interessantes Interview gegeben, in dem er nicht nur formuliert hat, dass alle Fussballer "Drecksäcke" sind, sondern auch wie ein Führungsspieler gesprochen hat - er habe schon in Herbst den Coach darauf aufmerksam gemacht, dass die Leistungen nicht stimmten. Im heutigen Spiel gegen Bochum ist er gesperrt - was macht ein Fussballstar in Berlin, der nicht zum Abstiegskampf mitfahren darf. Ein Freund und Korrespondent dieser Seite weiß Bescheid: "Das Freizeitverhalten der Hertha-Profis ist mit Recht kaum erforscht - wenige Erkenntnisse warten in diesem Feld. Am Freitagabend jedoch betrat der fürs Bochum-Spiel gesperrte Joe Simunic gegen 21 Uhr 30 eine sogenannte Sportsbar in Schöneberg. Dekoriert mit Schals und anderen Fan-Insignien, mit handsignierten Spielertrikots kroatischer Helden hinter Glas, ist das ethnisch homogene Publikum hier tolerant genug, sich auch ein Pantelic-Trikot anzuschauen oder eines der bosnischen Nationalelf. Es gab in einem Nebenzimmer, in der bei Bedarf sonst ein zusätzlicher Fernseher aufgestellt wird, offenbar eine kleine Feier. Weiße Tischdecken lagen da, Lieferanten, vermutlich aus einem jener Restaurants, von denen wir früher sagten: „Gehen wir zum Jugo?“, brachten etwas zu essen. Simunic, der eine kleine, flache Umhängetasche überm geringelten T-Shirt trug, nahm Platz, verzehrte Grillfleisch undefinierter Herkunft, nahm ein Glas Rotwein zur Hand, an dem er maßvoll nippte, und später ließ er noch einen größeren Schein im Spielautomaten verschwinden. Was ein paar Gäste zu ihm sagten und was er daraufhin erwiderte, war leider nicht zu verstehen. Simunic hatte zu dieser Stunde offenbar keine SMS mehr zu verschicken, bewies aber auch in der Freizeit ein marginales Interesse an seinem Beruf: Ab und an drehte er den Kopf zum Fernsehschirm, um den gehobenen Zweitligafußball von Mönchengladbach und dem HSV zu verfolgen, wandte sich dann aber rasch wieder seinem Grillfleisch zu. Man wäre dann, so gegen 22 Uhr 20, am liebsten aufgestanden, zu ihm gegangen und hätte gesagt: 35 Punkte, Joe, wie ihr, 35 Punkte, damit steigt man ab. Kann also nichts schaden, sich mental schon mal ein bißchen auf die zweite Liga einzustellen. Bei Verlassen des Lokals, gegen 22 Uhr 30, sass Joe immer noch da." Auch ein Star ist, was er isst (und trinkt). Danke, Valdano!

Mittwoch, April 11, 2007

Coach Götz

Da er nun gekündigt ist, sollte Coach Götz auch ein Zeugnis bekommen. Allgemein heißt es, er hätte die Mannschaft nicht mehr erreicht. Dies sind für mich die Gründe, die wirklich dafür sprachen, die Zusammenhalt zu beenden. 1) Die Verteidigung: Sie hat sich im dritten Jahr kontinuierlich verschlechtert. Der Fall Simunic bedarf eigener Erörterung, aber es ist doch auffällig, wie sehr Götz diesen "Führungsspieler", der für teures Geld an den Verein gebunden wurde, quasi für selbstverständlich nahm, über alle Fehler und Schlampereien und Aussetzer hinweg, und trotz seiner Apathie im Aufbauspiel. Statt dazu eine Alternative aufzubauen, vernachlässigte er Samba und ließ dessen Verkauf zu. Er forderte Fathi öffentlich heraus, hat ihm aber anscheinend im Training wenig Hilfestellung gegeben. 2) Standardsituationen: Nicht nur defensiv, sondern auch offensiv ein Debakel, und dadurch ein deutlicher Hinweis auf schlechtes Training. Erst in jüngster Zeit tritt Ebert die Freistöße (sofern es nicht auf Kunstschüsse hinausläuft, die Bastürk oder Gilberto versemmeln durften), er bringt auch Qualität in die über drei Jahre und auch schon in der Zeit mit Marcelinho dürftigen Eckbälle. 3) System: Die Hertha unter Götz spielte einen technisch anspruchsvollen Kombinationsfussball, der in guten Momenten toll aussah, zu dem die Mannschaft aber eine Grundlage (kämpferisch und technisch) braucht und eine Alternative, wenn es mal nicht so locker durch die gegnerischen Reihen geht - dann wäre zum Beispiel ein dynamisches Flügelspiel eine Möglichkeit, die aber meist unausgeschöpft blieb. 4) Charakter: Die Hertha hat in den drei Jahren sukzessive an Charakter verloren, sie vermag mit Überlegenheit nicht umzugehen (schlimmstes Beispiel: das Spiel bei Bayer 04 in der Hinrunde), sie strahlt keine Autorität und Professionalität aus. Die Pantelic-Krise, mit der die Hertha-Krise im Frühjahr begann, hätte man frühzeitig erkennen und "behandeln" müssen - sie war schon vor dem HSV-Match, als er den Elfmeter verschoß, erkennbar. 5) Basics: Dass Götz angeblich einen hilflosen Versuch unternommen hat, die Ernährungsgewohnheiten der Profis zu ändern, zeugt davon, dass diesem Bereich anscheinend nie grosse Aufmerksamkeit gezollt wurde - so laufen und schnaufen die Profis auch, man kann das bei Heimspielen live beobachten, welche Defizite da deutlich werden. Sie waren alle in der Hinrunde schon sichtbar - ein guter Trainer hätte sie erkannt und gegengesteuert. Falko Götz aber träumte von einer Supermannschaft, die ihm unter den Händen zerfiel.

Erreichbarkeit

Karsten Heine war also den ganzen Montagabend hindurch für die Presse nicht erreichbar. Das ergab eine volle Mailbox, vielleicht war ja auch eine SMS von Josip Simunic dabei, der zuletzt angeblich nicht mehr zugehört hat, wenn Coach Götz eine Ansprache hielt, sondern sich der mobilen Kommunikation widmete. Die Hertha hat jetzt also einen neuen Coach. Ich war gestern noch in Wien. Zum Glück hielt n-tv die Angelegenheit in Berlin für Breaking News. So konnte ich live zuschauen, wie Manager Hoeneß die traurige Botschaft überbrachte, und wie Coach Heine das neue Amt recht selbstbewusst übernahm. Es scheint ihn nicht stark zu belasten, dass er von einer Amateur-Mannschaft, die sich in akuter Abstiegsgefahr befindet, zu einer Profi-Mannschaft, die in latenter Abstiegsgefahr steckt, wechselt. Er mag denken, dass er nur gewinnen kann - zu den Amateuren und in die dritte oder vierte Liga kann er immer zurück. Vorerst bedeutet das Revirement vor allem eins: Manager Hoeneß ist jetzt noch stärker. Die Berliner Zeitungen beginnen darauf auch schon zu reagieren - interessante Zeiten brechen an. Ich bin froh, dass Götz weg ist (seinen Sachverstand halte ich für beschränkt), ich habe zu Heine noch keine Meinung, ich bin für eine Verpflichtung von Thomas von Heesen für die neue Saison. Und mich würde interessieren, wer die Amateure am Sonntag im Heimspiel gegen Erfurt betreuen wird - da werde ich dortsein, im Jahn-Stadion, und mir selbst ein Bild machen, wer wen noch erreicht.

Samstag, April 07, 2007

Festung
















Bei mir ist derzeit jedes Wochenende einer dieser Tage (an denen alles schief geht). Arsenal hat heute daheim gegen West Ham United verloren, und die Hertha hat gegen Arminia Bielefeld mit Mühe ein 1:1 geholt. Im Bild die Dauerkarte eines Fans in der Reihe vor mir - er hat sie in der Pause zerrissen, anders konnte er seiner Verärgerung nicht Herr werden. Es war von Beginn an ein Krampf. In der 15. Minute gab es eine Szene, die ich so oder so ähnlich noch nie erlebt habe: Boateng bekam in der eigenen Hälfte den Ball, er hatte vor sich viel leeren Raum, begann zu laufen, wurde immer langsamer und verlor dann auf geradezu grotesk lächerliche Weise den Ball, das Stadion holte, noch während er lief, Atem und entlud dann die ganze Wut über den Jungstar, der heute wieder unglaublich schwach war und auch gar nicht versucht hat, sich kämpferisch besser in Szene zu bringen. Das Gegenbeispiel war Patrick Ebert, der mit einem Tor belohnt wurde - das war der Ausgleich in der 2. Halbzeit nach einem frühen Gegentreffer durch Kopfball von Kucera nach einer Standardsituation (Corner). Ebert verwertete per Kopf eine Flanke von Ede - eine schöne, wenn auch ein wenig zufällige Koproduktion zweier Junger. Es waren die Alten, die heute schwach waren. Gilberto, Dardai, auch Simunic, der sich sofort nach dem Ausgleich eine gelb-rote Karte holte und damit dem Match einen Schuss Drama gab. Den hatte es sonst aber gar nicht, es war einfach eine schwache Partie zweier Mannschaften im unteren Bereich der Liga. Coach Götz und Manager Hoeneß halten weiter treu zusammen, sie bilden eine Festung innerhalb der Hertha, von der sich die Fans (siehe Bild) und geistig auch schon ein großer Teil der Mannschaft ausgeschlossen fühlen.

Werte

Arséne Wenger hat dieser Tage die "Werte" des FC Arsenal definiert: "Those values are to do things with a bit of human class, to do things with distinction, and respect for people." Er sprach davon, weil der Club vielleicht dem amerikanischen Milliardär Stan Kroenke gehören wird (diese Seite hatte zu ihm einen Eintrag weiter unten). Natürlich ist diese Wertedebatte schwammig, und wenn es im Fußball darauf ankommt, dann hilft "a bit of human class" nichts mehr, vor allem, wenn der Kader insgesamt "a bit of class" vermissen lässt, und der Coach auch. Hertha hat eine üble Woche hinter sich, das Pantelic-Manöver hatte das Niveau einer CSU-Intrige, der Coach muss jetzt die Zentimeter wieder zurückrudern, die sich der Manager (wie schon im Fall Dejagah) zu weit auf den Müggelsee hinausgewagt hatte. Vor dem "Schicksalsspiel" gegen Bielefeld ist zu sagen, dass es für Hertha keine "Schicksalsspiele" geben kann, denn der Club ist überhaupt nicht satisfaktionsfähig für die Kategorie "Schicksal". Selbst ein Abstieg wäre einfach das Resultat schlechter Arbeit auf vielen Ebenen. Für heute kann ich mir also gar nichts wünschen: gewinnt die Hertha, geht das Gewurschtel weiter; verliert sie, kommt am Ende noch Neururer. Tragisch? Drastisch.

Mittwoch, April 04, 2007

Ballett

Der Sündenbock für die schlechten Leistungen der Hertha ist gefunden: Marko Pantelic zieht die Mannschaft hinunter. So sehen es zumindest der Manager und der Coach. Verräterisch die Formulierung von Falko Götz, der Pantelic im Nürnberg-Spiel nach 60 Minuten durch Ede ersetzt hatte: danach wäre "richtig Ballett" gewesen. So spricht jemand, dem die Panik die Wahrnehmung trübt. Oder jemand, der ohnehin blind ist für sein Team, das auch in der Schlußphase gegen Nürnberg nur mäßigen Fußball zuwege brachte. Pantelic hat sich in der Rückrunde tatsächlich sehr angreifbar gemacht, an ihm jetzt aber ein Exempel zu statuieren, ist lächerlich und willkürlich, und zeugt von der Bunkermentalität, die Hoeneß und sein Vasall Götz nicht um sich und die Mannschaft, sondern um sich und niemand anderen erzeugen. Keine Club in der Bundesliga wird schlechter geführt, nicht einmal Dortmund und Gladbach, die wenigstens noch einen Mythos zu verteidigen haben.

Sonntag, April 01, 2007

Nürnberg

So ist das im Fußball: Wenn man sich eine halbe Saison lang in die Tasche lügt, kann man dann, wenn es schwierig wird, nicht mehr bluffen. Die Hertha hat den ganzen Herbst hindurch mittelmäßig gespielt, stand aber vor Weihnachten auf Platz 5 und wähnte sich bereit zum Angriff. Dann wurde Christopher Samba verkauft, und Mineiro eingekauft, der gegen Hamburg in der letzten Spielminute einen schönen Weitschuss zum bislang letzten Sieg der Hertha einsandte. Seither geht es bergab, das Auswärtsspiel gegen Nürnberg gestern wurde mit 1:2 zwar nur knapp verloren, die Niederlage wurde aber mit jedem Mannschaftsteil sauer verdient, auch wenn Coach Götz schon wieder die letzten 30 Minuten zu einem Hoffnungsschimmer erklärt. Angeblich wurde diese Woche mit Fussballtennis vor allem Lockerheit trainiert - größer könnte der Irrtum nicht sein. Die Mannschaft braucht einen Kurs in Fußball-ABC: sie spielt wie jemand, der noch nicht schreiben kann, aber schon ein Gedicht im Sinn hat. Die jungen Spieler Kevin-Prince Boateng und Patrick Ebert (um sie geht es ja gewissermaßen in dieser Saison, die von den Hertha-Bossen als Entwicklungshilfejahr verkauft wird) zählten gestern zu den Verlierern. Boateng ging so naiv und auch lustlos in Zweikämpfe, dass man Grund zu den Annahme hat, dass das im Training einfach nie auf dem Programm steht, jedenfalls nicht individuell mit ihm, der da immer schon Probleme hat (deswegen wird er auch kein Großer, das zeichnet sich schon ab). Ebert ist eher bereit, an den Mann zu gehen, aber auch er wirkte gestern immer wieder überrascht, daß er bei der Annahme von Zuspielen schon gestört wurde - die Pässe auf ihn waren meistens ohnhin problematisch (Dardai!), das Stoppen fällt bei Hertha allen schwer, das vorentscheidende 0:2 begann bei Ebert auf halbrechts, wie so viele Gegentore in dieser Saison (in den anderen Fällen waren Jerome Boateng oder Dejagah die Urheber). Das frühe 0:1 aus einem Corner, der für einen Galasek-Weitschuss nach hinten gelegt wurde, zeigte gleich die Patzigkeit der Hintermannschaft: niemand machte auch nur einen Schritt in Richtung des Schützen. Gilberto spielt seit Wochen so unglaublich unprofessionell, dass ich ihm am liebsten sofort die Freigabe erteilen würde, wenn er zu Saisonende ein Angebot vorlegen kann: zwei, drei Millionen für ihn wären schon zuviel, sollten aber zu lukrieren sein. Hertha brechen gerade zwei Generationen weg. Die Stars suchen (geistig) das Weite: Bastürk, Pantelic, Gilberto. Die Talente stossen an ihre Grenzen und werden nicht entwickelt: Boateng, Ebert. Die Mittelmässigen müssen und dürfen bleiben: Dardai, van Burik. Coach Götz müsste eigentlich von sich aus zurücktreten und auf alle Ansprüche verzichten. Er wird es sich aber mit den anderen Mediokren einrichten: mit dem Aufsichtsrat, der nicht kontrolliert; mit der Geschäftsführung, die nicht wirtschaften kann; mit Manager Hoeneß, der hilflos wirkt. Nächste Woche kommt Bielefeld.