Sonntag, Februar 27, 2005

Der Schwarm

Ohne Volker und mich gewann die Hertha gestern 4:1 gegen den HSV. Volker war von der Shanghai-Grippe noch nicht wiederhergestellt. Ich blieb daheim, um A. zu helfen, die am Abend einen Catering-Gig in einem großbürgerlichen Haushalt in Kreuzberg 61 hatte. Das Match habe ich im Fernsehen natürlich trotzdem gesehen, mit zunehmendem Staunen über die seltsame Verteilung des Zufalls an diesem Tag. Das erste Tor von Gilberto zum 2:0 war eine so wilde Mischung aus Glück und Können (zuerst legt er sich den Ball zu weit vor, dann bringt ausgerechnet dieser Fauxpas die beiden Verteidiger auf Kollisionskurs, und Gilberto fängt die Kugel mit seinen kurzen Beinen genau dort wieder ein, wo sie einander gerade noch passieren, während Pieckenhagen im Herauslaufen seine Beine öffnet für die Demütigung!), daß ich immer ratloser gegenüber diesem Spiel an sich werde: Klar liegt die Hertha auf Kurs, aber es erzähle mir niemand von der besten Verteidigung der Liga (alle anderen Defensivreihen sind einfach noch löchriger). Gleichzeitig frage ich mich, ob dieses seltsame System, das wir heuer spielen, nicht so sehr Avantgarde ist, daß die Implikationen noch gar nicht vollständig erkannt sind: Hertha hebt den Unterschied zwischen Mittelfeld und Angriff auf, indem die Stürmer einfach abgeschafft werden. Der arme Wichniarek hatte das gestern auszubaden, das Spiel lief am ihm vorbei, gleichzeitig liefen unsere Schwärmer an der Hamburger Defensive vorbei in alle möglichen Löcher. So viel Zuordnung kann ein Trainer gar nicht austüfteln, daß sie gegen Yildiray helfen würde, der seinen Gegenspieler in der 4. Minute in eine laufende Laokoon-Gruppe verstrickte, die als Foul für Hertha gedeutet wurde und zum Freistoß führte. Er ist zweifellos unser Mann der Saison, auch wegen der lustig resignierten (schicksalsergebenen) Miene, die er machte, als er nach seinem Hands vom Platz mußte. Hoffentlich ist er gegen Leverkusen wieder dabei. Falko Götz reagierte nach dem Spiel mit der Ironie, die der Sieger leicht aufbringt, die er aber auch in der Niederlage schon gezeigt hat. Das muß ich noch üben.

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